Ardeen: Band 1: Der Kreis der Magie (German Edition)
Leben verdankt, steht man in dessen Schuld, mein Prinz.“
Die gefährliche Stille, die nun folgte, zeigte Eryn, dass er zu weit gegangen war. Er erwartete schon, dass ihn nun ein magischer Schlag treffen oder dass Prinz Raidens Stimme in seinem Kopf ertönen würde, doch der Prinz sprach mit leiser, schneidender Stimme:
„Wir sind keine Krieger aus deiner barbarischen Vergangenheit. Soldaten tun ihre Pflicht. Jeder, der Soldat wird, muss damit rechnen, dass er auch im Kampf fallen kann. Und nun, Soldat Eryn, ist es wohl besser, du gehst nach draußen und hältst den Rest der Nacht Wache.“
Jetzt hätte der Fenn klein beigeben können, um die Sache zu entschärfen, aber wenn Eryn einmal über einen Punkt kam, dann konnte er sich nicht mehr beherrschen und war stur und aufbrausend.
„Es ist sinnlos, Wache zu stehen. Keiner wird hier heraufkommen und drei Magier überraschen.“
Die Augen des Prinzen wurden noch härter, als sich ihre Blicke trafen.
„Das ist ein Befehl! Muss ich jetzt mit einem Untergebenen meine Befehle diskutieren?“
Wut auf den Prinzen wallte in Eryn auf und im selben Moment griff der Seelenbann nach ihm und entriss ihm schmerzhaft die Kontrolle über sein Tun. Als die Schmerzen wieder verflogen waren und sich Eryn wieder besonnen hatte, gab er geknickt auf:
„Entschuldigung, mein Prinz. Natürlich nicht.“
Dann stand er schnell auf und ging in die Nacht hinaus. Weiter als es nötig gewesen wäre. Aber er wollte einen guten Abstand zwischen sich und dem Prinzen bringen.
Es war kalt außerhalb des Unterstandes und der Wind blies immer noch. Gegen die Kälte wusste Eryn sich zu helfen, doch den Wind konnte er nicht abhalten. Viele Gedanken gingen ihm durch den Kopf. Und es kostete ihn große Selbstbeherrschung, seine Wut auf den Prinzen zu unterdrücken, um die Macht des Seelenbannes nicht erneut zu entfesseln. Es mochte vielleicht eine Stunde vergangen sein, da kam Meister Eriwen zu ihm hinüber.
Der Magier klopfte ihm auf die Schulter: „Alles in Ordnung?“
„Keine besonderen Vorkommnisse, Meister Eriwen“, meldete Eryn in strammer Haltung und mit sturem Blick geradeaus.
Ruhig sprach der Magier auf Eryn ein: „Jetzt entspann dich, Junge. Hier habe ich dir auch etwas zu essen mitgebracht. Wir haben heute große Taten vollbracht und dieser Tag wird in die Geschichte eingehen.“
Eryn nahm das hingehaltene Bündel und begann seinen Frust loszuwerden: „Toll! Ich habe dem Prinzen heute das Leben gerettet und was ist der Dank dafür? Nicht einmal ein Wort hat er darüber verloren. Nein, ich bekomme einen Anschiss und darf mir die Nacht ansehen. Er hätte ja selbst aus dem Unhaer herauslaufen können.“ Boshaft fügte er an: „Ach, das konnte er ja nicht, weil er bewusstlos am Boden lag.“ So, jetzt ist es erst mal heraus!
Aber Meister Eriwen beschwichtigte: „Ich verstehe deinen Zorn, Eryn. Es war ein harter Tag für uns alle und wir haben Enormes geleistet. Aber nun hör gut zu, denn ich gebe dir für die Zukunft einen guten Rat: Ich kenne den Prinzen schon seit sehr langer Zeit. Es gibt wenige Dinge, die er mehr hasst, als gegenüber einem anderen schwach und hilflos zu sein.
Glaube mir, er wird es nicht vergessen, dass er dir sein Leben verdankt, und er wird dich angemessen belohnen, aber erinnere ihn nie daran, dass er in deiner Schuld steht. Der Herr von Naganor ist ein außerordentlicher Magier, aber wie andere Menschen ist auch er nicht frei von Fehlern. Stolz, Eitelkeit und Arroganz sind seine Begleiter. Dazu kommt eine kalte Härte, denn sonst könnte er nicht das tun, was er heute getan hat. Weißt du, wie es im Tal unten aussieht?“
Eryn schüttelte den Kopf. Ich bin ja nicht bis zum Rand der Klippen gekommen.
Dann begann Meister Eriwen zu erzählen: „Als die magische Welle vorüber war und ich den Schutz der Felsnische verlassen konnte, da blickte ich auf ein riesiges Feld verkohlter Leichen. Nichts lebte mehr dort unten. Ein einziges Leichenfeld von der Stelle an, wo das Unhaer beginnt, bis dorthin, wo das Tal endet. Alle, die das Inferno überlebten, starrten in blankem Entsetzen auf dieses Bild. Totenstille und Totengeruch beherrschten diese Momente. Wenn es eine Hölle gibt, dann sieht sie so aus. Was getan wurde, war grausam und unmenschlich, doch es hat unser Leben gerettet.
Und diese Macht, über die der Prinz gebietet, sicherte uns bisher jahrelang den Frieden. Denn kein anderes Land wagt es, Ardeen anzugreifen, aus Furcht vor seiner magischen
Weitere Kostenlose Bücher