Aristos - Insel der Entscheidung
widerstrebend gab er Andreas die Hand und ließ sich sogar zu dem kleinen, höflichen Small Talk herab, in den der ihn verwickelte. Doch zu mehr als drei knappen Antworten fühlte er sich offensichtlich nicht verpflichtet, denn er entzog sich allen weiteren Fragen seines Exschwagers mit der Ausrede, er müsse sich jetzt um das Gepäck kümmern.
„Sieht so aus, als sollte ich mich bei dir entschuldigen“, stellte Andreas leicht verlegen fest.
„Nicht nötig“, wehrte sie ab und versuchte ein zaghaftes Lächeln. „Er hat sich ja sehr verändert, seit du ihn das letzte Mal gesehen hast.“
Die Tatsache, dass sie großzügig über sein unmögliches, arrogantes Verhalten hinwegsah, schien ihn nicht im Mindesten zu beeindrucken. Seine Lippen wurden schmal, dann wechselte er das Thema: „Ich nehme an, ihr schlaft im Haus meiner Eltern? Ich frage mich, was ihnen einfällt, mich einfach nicht darüber zu informieren. Auf dieses Überraschungstreffen am Hafen hätte ich liebend gern verz…“
„Nein, tun wir nicht.“
„Was tut ihr nicht?“, fragte Andreas ungeduldig.
„Wir schlafen nicht bei deinen Eltern“, erklärte sie und unterdrückte einen Seufzer.
Während sie mit der Hand eine Locke aus der Stirn strich, überlegte sie, wie um alles in der Welt sie sich jetzt bloß aus der Affäre ziehen sollte. Ganz offensichtlich hatte seine Mutter ihm nichts über ihr Kommen gesagt – und wie sie Isabella kannte, hatte sie dafür auch einen guten Grund. Also war es wohl besser, wenn sie ihre Schwiegermutter aus allen weiteren Erklärungen heraushielt.
In diesem Moment entdeckte sie Kosta neben dem silbernen Mercedes, nach dem sie schon die ganze Zeit so sehnsüchtig Ausschau gehalten hatte. Jetzt wäre es ihr allerdings lieber gewesen, sie hätte erst Andreas abschütteln können, bevor der den Chauffeur seiner Eltern erblickte und eins und eins zusammenzählte.
Nach seinem verunsicherten Gesichtsausdruck zu schließen, dachte Kosta gerade dasselbe. Wahrscheinlich wusste er nicht, wie er sich verhalten sollte.
Na, willkommen im Club, dachte Louisa ironisch.
„Außerdem nahmen wir an, du wärst gerade in Thailand“, mischte sich ihr Bruder wieder ins Gespräch.
„Thailand?“, wiederholte Andreas erstaunt und zog die Augenbrauen zusammen. „Was für ein … interessanter Irrtum“, murmelte er kaum hörbar.
Innerlich fluchend schloss Louisa die Augen. Den Ton kannte sie genau, ihr Exmann kombinierte. Herrgott noch mal! Jetzt hatte Jamie ihm, ohne es zu wissen, doch einen Hinweis dafür gegeben, dass sie Kontakt zu seiner Mutter gehabt hatte. Und wenn man Andreas eins nicht nachsagen konnte, dann dass er langsam im Kopf war.
Zögernd öffnete sie die Augen wieder und stellte sich tapfer seinen forschenden Blicken, die alles andere als freundlich auf ihr ruhten. Vor Aufregung krampfte sich ihr Magen zusammen. Jetzt wurde es ihr aber langsam wirklich zu viel!
Zu Jamie gewandt, sagte sie: „Kosta ist angekommen“ und deutete mit einem zitterigen Zeigefinger auf den alten Mann. „W…würdest du bitte schon mal unser Gepäck verstauen?“
Ungefähr so mussten sich Diplomaten in Kriegsgebieten fühlen! Dass ihr Bruder nicht im Traum daran dachte, sie noch einmal mit ihrem Ex allein zu lassen, sah sie ihm deutlich an. Mittlerweile war Andreas’ Blick noch um einiges frostiger geworden, was ihr trotz der abendlichen Wärme eine Gänsehaut bereitete.
„Bitte, Jamie“, wiederholte sie eindringlich. Zu ihrer großen Erleichterung ergriff er schließlich die beiden Reisetaschen und ging ohne ein weiteres Wort zu Kosta hinüber. Doch der Blick, den er seinem Schwager zum Abschied zuwarf, sprach Bände.
Einen Moment beobachtete er schweigend, wie Jamie mit dem Gepäck abzog, dann donnerte Andreas: „Hättest du vielleicht die Freundlichkeit, mir zu erklären, was hier hinter meinem Rücken gespielt wird?“
„Eigentlich nicht, wenn du so fragst“, erwiderte sie schnippisch. Ihr war absolut klar, dass sie jetzt besser diplomatisch vorgehen sollte, aber seine überhebliche Art brachte sie einfach auf die Palme. Trotzdem fügte sie leise hinzu: „Ich bin hier, um Nikos zu besuchen.“
Der Effekt, den der Name ihres Sohnes auf ihn hatte, war unübersehbar. Ein Muskel in seinem markanten Unterkiefer zuckte, während seine Augen sich verdunkelten.
Auch Louisa schnürte es die Kehle zusammen. In stummer Verzweiflung sah sie auf den Boden. „Und meine Eltern haben rein zufällig davon erfahren und dir das
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