Aristos - Insel der Entscheidung
unterdrückte ein Fluchen. Am liebsten hätte er seine Worte wieder zurückgenommen. Wie hatte er nur so mit ihr reden können? Nach all den Jahren! Aber, nein, er würde nichts zurücknehmen! Jedes einzelne Wort war genauso gemeint, wie er es gesagt hatte. Man hatte sie um fünf gemeinsame Jahre betrogen oder wenigstens um die Chance, selbst zu entscheiden, was mit ihnen, mit ihrer Ehe geschehen sollte. Wie hatten ihre Verwandten, die Menschen die sie liebten, ihnen das nur antun können?
Wo sie beide wohl heute wären, wenn ihre Familien sich damals nicht eingemischt hätten? Wer weiß? Nachdenklich betrachtete er die zarte junge Frau, die er zur falschen Zeit am falschen Ort kennengelernt hatte und die ihm seitdem nicht mehr aus dem Kopf ging.
Seine Mutter wollte, dass er den Schwebezustand, in dem sich seine Ehe seit Jahren befand, beendete. Das wollte er auch – nur auf eine grundverschiedene Weise. Louisa gehörte zu ihm! Schon als er sie von der Fähre kommen sah, war ihm das klar geworden. Und ihre explosive Begegnung auf dem Berg hatte ihn darin nur noch bestätigt. Sie gehörte ihm. Nur ihm!
„Wenn du nicht aufhörst zu weinen, sehe ich mich wirklich gezwungen, auf andere Methoden zurückzugreifen“, warnte er sie halb im Scherz, halb im Ernst.
Zitternd presste sie die Lippen zusammen. Dann holte sie tief Luft und antwortete: „Ich lasse mich von dir nicht erpressen, bloß weil du irgendwem irgendwas beweisen willst!“
„Anscheinend hast du mir nicht zugehört …“ „Und ob ich das habe! Du bist wütend und möchtest dich rächen. Und ich soll dir dabei helfen.“
Was sie da sagte, gefiel ihm überhaupt nicht. Vielleicht weil ein Körnchen Wahrheit darin lag? Ach, was! „Ich verlange nur das zurück, was sie uns genommen haben!“
Ein Schauer überlief sie. Ob durch Andreas’ Worte oder ihren Sonnenbrand ausgelöst, wusste sie nicht. „Wir beide haben uns verändert. Wir sind nicht mehr dieselben Menschen wie damals. Sieh doch endlich ein, dass wir die Zeit nicht zurückdrehen können! Ebenso wenig wie du Nikos nicht durch ein anderes Kind ersetzen kannst!“
Bleierne Stille folgte. Weiß wie eine Kalkwand wich er zurück, drehte sich um und ließ Louisa innerlich und äußerlich bebend in der Eingangshalle stehen.
Hilflos schloss sie die Augen. Oh, Gott! Das hätte sie nicht sagen sollen! Besorgt ging sie ihm auf wackeligen Beinen nach. Endlich fand sie ihn in der Küche. Mit hängendem Kopf lehnte er am Fenster, die Hände zu Fäusten geballt, dass die Knöchel weiß hervortraten.
„T…tut mir leid“, sagte sie leise.
Er zuckte die Achseln. „Schreckliche Dinge gehören nun einmal auch zum Leben. Wie wir jetzt damit umgehen, darauf kommt es an!“
„Aber Rache ist nicht der richtige Weg. Das siehst du doch ein?“
„Nein, das sehe ich ganz und gar nicht ein!“
„So was Dickköpfiges!“, murmelte sie und fuhr sich mit der Hand über die Stirn. Plötzlich fiel ihr auf, dass ihr ganzer Körper zu glühen schien. Trotzdem fror sie so heftig, dass ihre Zähne klapperten.
„Ich mach uns mal einen Kaffee. Du trinkst doch einen mit?“, fragte er ruhig, als sei es völlig normal, mitten in einem Streit erst mal ein Tässchen Kaffee zu trinken.
Mit einem sonderbar fremd klingenden Lachen antwortete sie: „Ich weiß nicht. Ich fürchte, mir geht es gerade nicht besonders gut.“
8. KAPITEL
Wenigstens sieht er mich jetzt wieder an, dachte Louisa, ehe es ihr schwarz vor Augen wurde. Benommen hörte sie, wie Andreas fluchte. Dann spürte sie seine Hand auf ihrer Stirn.
„Du glühst ja!“, rief er erschrocken. „Warum hast du denn nichts gesagt?“
„Wir waren viel zu sehr mit Streiten beschäftigt.“
Kopfschüttelnd nahm er sie auf die Arme.
„Lass mich sofort wieder runter!“, protestierte sie matt.
„So krank bin ich nun auch nicht, dass ich nicht mehr laufen kann.“ „Ruhe!“, befahl er, während er sie durch die Eingangshalle trug. „Mein Kopf tut allerdings ziemlich weh“, gab sie stöhnend zu. „Und mir ist wahnsinnig kalt!“ „Wahrscheinlich hast du einen Sonnenstich. Ist dir auch übel?“
Sie nickte schwach. „Ich musste mich vorhin sogar übergeben. Tut mir leid“, murmelte sie und ließ den Kopf an seine Schulter sinken. Oh, wenn sich das nur nicht so gut anfühlen würde!
Einige Sekunden später fühlte sie etwas angenehm Weiches und Kühles unter sich. „Oh, Mann! Sieh dir nur deine Arme und Schultern an“, rief er missbilligend, nachdem
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