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Aristoteles: Grundwissen Philosophie

Aristoteles: Grundwissen Philosophie

Titel: Aristoteles: Grundwissen Philosophie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Detel
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Themen auf; und drittens können wir menschliche Forscher in der Biologie auf weit mehr empirisches Beobachtungsmaterial zurückgreifen als in der Astronomie, so dass eine solidere Theorienbildung möglich ist. Methodologisch gesehen steht für Aristoteles in der Zoologie die Untersuchung der teleologischen Ursachen im Vordergrund. Wir haben bereits gesehen, dass das aristotelische Konzept teleologischer Ursachen unproblematisch ist, doch vielleicht ist es hilfreich, an dieser Stelle noch einmal daran zu erinnern, dass teleologische Ursachen für Aristoteles nichts mit intentionalen Absichten zu tun haben, im Gegenteil: Absichten sind für ihn eher Bewegungsursachen. Was Aristoteles teleologische Ursachen nennt, lässt sich vielmehr am besten in Begriffen funktionaler Erklärungen erläutern, wie sie in der modernen Wissenschaftstheorie eingeführt werden: Das Faktum, dass ein System eine Eigenschaft hat, lässt sich teleologisch durch Hinweis auf den Reifezustand (»Normalzustand«) des Systems erklären, falls diese Eigenschaft zur Stabilisierung notwendiger Bedingungen für den Normalzustand des Systems beiträgt.
    [50] Dass Aristoteles sich für den Aufbau der wissenschaftlichen Zoologie zunächst ganz auf die empirische Arbeit konzentriert und eine große Menge empirischer Daten gesammelt hat, wissen wir nicht nur aufgrund von biografischen Hinweisen; vielmehr hat Aristoteles einen Teil dieser empirischen Arbeit in der großen überlieferten Schrift
Historia Animalium
(
Die Erkundung der Tiere
) selbst schriftlich fixiert. Einen Teil der Daten verdankt er eigenen Experimenten wie etwa der Untersuchung der Entwicklung von Hühnerembryonen durch kontinuierliche Vivisektion. Damit folgte er zugleich einer seiner zentralen wissenschaftstheoretischen Maximen: erst die Fakten, dann die Erklärungen – erst das Dass, dann das Warum. Neben den eigenen Versuchen hat Aristoteles auch wissenschaftliche Literatur ausgebeutet, soweit er sie für zuverlässig hielt, z. B. einen Teil der medizinischen Schriften aus dem
Corpus Hippocraticum
, und er hat darüber hinaus Auskünfte von Fachleuten wie Fischern, Hirten, Jägern oder Imkern verwendet. Und so erfahren wir denn in der
Historia Animalium
zahllose Details über Haustiere wie Schafe oder Hunde, über Raubtiere wie Bären oder Löwen, über viele andere Säuger, über eine erstaunlich große Zahl verschiedener Insekten, Würmer und Parasiten, über Vögel und Amphibien und – besonders umfangreich – über Meerestiere (HA V 5, 541a; GA III 5, 755b–756a). In die so genannten ätiologischen Schriften, die mit explanatorischen Ambitionen auftreten (
aitia
= Ursache), wie etwa
Über die Teile der Tiere
oder
Über die Zeugung der Tiere
, ist weiteres empirisches Material über viele verschiedene Tierarten eingearbeitet, beispielsweise über Anfang und Ende der Fruchtbarkeit, Ernährung, Anpassung an klimatische Bedingungen, Arten und Zeiten der Begattung und über die Arbeitsweise vieler Körperteile der verschiedensten Tiere. Dazu kommt das Material für viele kleinere Schriften mit speziellen Themen, z. B. für die Schriften
Über die Sinneswahrnehmung, Über Gedächtnis und Erinnerung, Über Schlafen und Wachen
oder
Über die Träume
.
    [51] Dieses Material in Form empirischer Generalisationen wird dann in einem weiteren Schritt mittels des analytischen Verfahrens in eine theoretische Klassifikation und Taxonomie eingearbeitet. Ein zentraler taxonomischer Vorschlag beginnt mit der Einteilung in blutlose und blutführende Tiere, was weitgehend der modernen Klassifikation in wirbellose Tiere und Wirbeltiere entspricht. Die blutführenden Tiere werden dann weiter in eierlegende und lebendgebärende Tiere eingeteilt, die blutlosen in Kopffüßler, Insekten, Schalentiere und Krebstiere (PA II). Die neueste Forschung zur aristotelischen Zoologie hat allerdings zu Recht darauf hingewiesen, dass es Aristoteles nicht darum ging, eine
eindeutige
umfassende zoologische Taxonomie herzustellen und als oberstes wissenschaftliches Ziel der Zoologie zu erklären. Tatsächlich verwendet Aristoteles in unterschiedlichen Kontexten jeweils verschiedene Klassifikationskriterien: Beispielsweise teilt er die Tiere auch nach ihrem Aufenthaltsort in Wassertiere, Landtiere und Flugtiere ein; oder er unterscheidet sie nach ihren Lebensgewohnheiten in Herdentiere und Einzelgänger, in Tag- und Nachttiere, in zahme und wilde Tiere. Und bisweilen benutzt er auch die verschiedenen Formen der

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