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Aristoteles: Grundwissen Philosophie

Aristoteles: Grundwissen Philosophie

Titel: Aristoteles: Grundwissen Philosophie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Detel
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daraus allein noch nicht, dass dies aufgrund ihrer biologischen Natur so ist.
    An dieser Stelle befindet sich Aristoteles offensichtlich an einem heiklen Punkt seiner Argumentation, denn in seiner Ethik behauptet er unmissverständlich, dass Erziehung und [111] sozialer Hintergrund wesentliche Faktoren für die Ausbildung der ethischen Vernunft sind. Die biologische Natur des Menschen kann daher keine starke – und gewiss nicht die einzige – Grundlage der ethischen Vernunft sein. Wenn Aristoteles in der
Politik
darauf verweist, dass fast überall unter den Tieren das Männliche über das Weibliche herrscht, um wenigstens die natürliche Herrschaft von Männern über Frauen zu begründen, dann ist das nichts anderes als ein verzweifeltes Manöver, denn Tiere haben keine ethische Vernunft, so dass dieser Begründungsansatz auf menschliche Verhältnisse nicht übertragbar ist.
    Der Fall der Herrschaft von Eltern über Kinder ist für Aristoteles noch am leichtesten zu behandeln: Kinder verfügen aufgrund ihrer biologischen Entwicklungsstufe allenfalls über eine noch unentwickelte ethische Vernunft und müssen sich deshalb den erwachsenen Eltern fügen. Im Falle der Sklaven verweist Aristoteles vor allem auf die körperliche Ausstattung: Es gibt Menschen, deren biologische Natur ihnen einen starken Körper verliehen hat, der sie vor allem zur instrumentellen Verwendung durch Herren tauglich macht. Aber nicht um den Körper, sondern um die ethische Vernunft muss es gehen, und die ethische Vernunft ist mit unterschiedlicher körperlicher Ausstattung vereinbar. Der Fall der Sklaverei enthält tatsächlich innerhalb der aristotelischen Theorie natürlicher Herrschaft die größte Begründungslücke. Denn Aristoteles unterstellt hier einfach, dass Menschen mit großen intellektuellen und ethischen Defiziten geboren werden, und ignoriert an diesem Punkt seinen eigenen Hinweis auf Erziehung und soziale Hintergründe als Faktoren ethischer Entwicklung. Das Auftreten derartig gravierender theoretischer Widersprüche, zumal bei einem so scharfsinnigen Denker wie Aristoteles, legt einen Ideologieverdacht nahe. Im Falle der Herrschaft von Männern über Frauen hat Aristoteles zweifellos implizit auf rein naturwissenschaftliche Argumente zurückgegriffen, die die Unterlegenheit der Frau belegen sollten und zu seiner Zeit wohletabliert waren. 36
    [112] Die Theorie natürlicher Herrschaft ist allerdings mit einem schwerwiegenden Problem konfrontiert, das sich aus der sozialen Struktur des antiken Großhaushalts ergibt. Im Großhaushalt ist der männliche Besitzer und Hausherr (der
kyrios
) nämlich darauf angewiesen, dass seine Ehefrau und seine Hauptverwalter hervorragend und diszipliniert arbeiten. Eine gute Ehefrau trägt zur Prosperität des Großhaushalts ebenso viel bei wie ein guter Hausherr, und sie sichert als Mutter legaler Kinder die Altersversorgung für den Hausherrn; sie vereinigt sich als »Königin« des Großhaushalts mit dem Hausherrn als König zu wechselseitigem Dienst. Auch wenn Gott oder die Natur sie in physischer Hinsicht so ausgestattet hat, dass sie eher für die Tätigkeiten im Haus geeignet ist, steht sie dem Mann doch an Gedächtnis, Sorgfalt und Selbstkontrolle nicht nach. Wenn sie nicht hütet, bewahrt und verwaltet, was er einbringt, ist seine Arbeit vergebens. Es gibt niemanden, dem der Hausherr wichtigere Angelegenheiten und Aufgaben anvertraut als ihr. Der Hausherr ist in jeder Hinsicht der Vorstand und Befehlshaber im Großhaushalt, aber seine natürliche Herrschaft wird prekär im Falle jener Untergebenen, die ihrerseits Führungsaufgaben zu übernehmen haben: der Hauptverwalter draußen, die Hauptverwalterin drinnen, und vor allem die Ehefrau. Es ist ein Faktum der Natur, dass die Männer ohne die Frauen weder ihr Leben erhalten noch ihr Geschlecht fortpflanzen noch eine gute Existenz entwerfen können (Pol. I 2; NE VIII 12, 1162a).
    Der Hausherr muss nicht nur seiner Ehefrau, sondern auch seinen leitenden Verwaltern eine moralische und organisatorische Leistungsfähigkeit unterstellen, die der seinen gleichkommt. Die leitenden Verwalter waren jedoch Sklaven. Daher bemüht sich Aristoteles, nicht nur der Ehefrau, sondern auch den Sklaven eine gewisse (wenn auch defiziente) Tugend zuzusprechen. Immerhin sind Sklaven Menschen und verfügen zumindest über die Fähigkeit, Zügellosigkeit und Trägheit zu vermeiden. Darüber hinaus weiß Aristoteles natürlich, dass Menschen zum Teil infolge von

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