Arkadien 02 - Arkadien brennt
weshalb Sie hergekommen sind, Signorina Alcantara, und ich gebe mir alle Mühe, Ihnen behilflich zu sein. Ich bin auf Ihrer Seite.« Und damit streifte sie Rosas Hand von ihrem Arm und führte sie durch eine weitere Tür in einen weiß gefliesten Gang.
Wenig später betraten sie die Schwimmhalle des Hotels, einen beeindruckenden Kuppelraum mit riesiger Fensterfront zum Meer hin. Türkis- und terracottafarbene Kacheln dominierten den Raum.
Breite Treppen führten von vier Seiten in das weiträumige Schwimmbecken. In der Mitte war es etwa drei Meter tief. Das Wasser musste schon vor langer Zeit abgelassen worden sein, es roch nicht einmal mehr nach Feuchtigkeit.
Am Boden des ausgetrockneten Beckens lag Trevinis umgestürzter Rollstuhl. Der Avvocato selbst kauerte mehrere Meter entfernt am Boden, am Fuß einer Treppe. Er musste auf dem Bauch dorthin gekrochen sein. Entkräftet saß er nun da, halb auf die Stufe gestützt, die nutzlosen Beine verdreht. Sein feiner Anzug war zerknittert, das schüttere graue Haar von Schweiß getränkt.
Rosas Augen verengten sich, als sie wieder die Contessa ansah. »Erklären Sie mir das.«
Di Santis verzog keine Miene. »Das ist nur in Ihrem Interesse.«
Rosas Hand glitt in die Tasche. Ihre Finger umschlossen den Griff des Tackers.
»Sie sind doch gekommen, um ihm Fragen zu stellen«, sagte Di Santis. »Das hier könnte die letzte Gelegenheit sein.«
Am Grund des Schwimmbeckens hob der alte Mann mühsam den Kopf. »Rosa … Das ist Wahnsinn …«
»Was soll das?«, fauchte sie in Richtung der Contessa. »Wer sind Sie? Und was haben Sie vor?«
Die junge Anwältin atmete tief durch. »Ich hatte gehofft, es bliebe mehr Zeit. Ich wünschte, ich hätte noch viel mehr von ihm lernen können.«
»Er hat Ihnen vertraut.«
»Was mühsamer war, als ich angenommen hatte. Er ist ein sturer alter Mann, aber nach einer Weile ist er zugänglicher geworden. Irgendwann konnte er es gar nicht mehr erwarten, mir Tag für Tag sein Herz auszuschütten.«
Trevini regte sich unten im Becken. »Sie weiß alles, Rosa. Über Ihre Familie, über Costanza … Töten Sie sie, bevor Sie dieses Wissen an die Feinde der Alcantaras verkauft.«
»Sieht aus«, entgegnete Rosa kühl, »als hätten Sie das schon allein hinbekommen, Trevini.«
»Noch mal«, sagte die Contessa zu Rosa, »ich bin nicht Ihr Feind.«
Der Griff des Tackers erwärmte sich langsam in Rosas Hand. »Die Männer draußen im Foyer –«
»Werden gut dafür bezahlt, dass sie mich mehr mögen als ihren ehemaligen Arbeitgeber.«
Trevini heulte auf. »Sie hat den Verstand verloren!«
Rosa sah die Contessa an. »Ich glaube nicht.«
»Sehen Sie es als eine Art Bewerbung«, sagte Di Santis auf jene beherrschte Art, die Rosa gleichermaßen hasste wie bewunderte. »Wenn das hier vorbei ist, werden Sie einen neuen Rechtsbeistand brauchen, Signorina Alcantara. Jemanden, der in der Lage ist, die Geschäfte des Avvocato in Ihrem Sinne weiterzuführen.«
»Darum geht es Ihnen?«, fragte Rosa verblüfft. »Um seine Nachfolge?«
Di Santis schüttelte erheitert den Kopf. »Zuallererst geht es um Wiedergutmachung. Rache wäre ein unschönes Wort dafür.«
»Rache wofür?«
»Meine Familie war einmal ein angesehener Clan innerhalb der Cosa Nostra. Ländereien, Fabriken, Geschäfte aller Art – die Di Santis besaßen genug davon und noch mehr. Mein Großvater war einer der mächtigsten capi im Westen der Insel. Bis er den Fehler gemacht hat, sich mit den Corleonesen anzulegen.«
Rosa wusste Bescheid darüber. Die Bosse aus der Kleinstadt Corleone hatten in den Achtzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts einen blutigen Krieg gegen all jene geführt, die ihren Herrschaftsanspruch über die sizilianische Mafia angefochten hatten. Massaker und Bombenattentate rotteten ganze Familien aus. Einige Jahre lang konnte niemand den Corleonesen etwas entgegensetzen, und es war allgemein bekannt, dass auch die Di Santis auf ihrer Abschussliste standen. Nur die Contessa und eine Handvoll ihrer Verwandten waren mit dem Leben davongekommen. Seither, so hieß es, hatten sich die Überlebenden des Clans aus den Geschäften der Mafia zurückgezogen.
»Lange hat niemand mit Sicherheit gewusst, wer meine Familie ans Messer geliefert hat.« Cristina di Santis trat an die Kante der obersten Stufe. Zum ersten Mal veränderte sich ihr glatter, streberhafter Gesichtsausdruck. Aus dem Blick, mit dem sie den hilflosen Trevini bedachte, sprach tiefe Verachtung.»Der
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