Arkadien 02 - Arkadien brennt
ihnen.«
»Da habe ich anderes gehört.«
Sie starrte ihn an. Dachte, dass sie hier und jetzt einem wehrlosen alten Mann mit der Faust ins Gesicht schlagen müsste. Mit allergrößter Mühe beherrschte sie sich und begriff, dass Provokation eine seiner stärksten Waffen war. Die Erkenntnis machte seine Worte nicht weniger verletzend, zog ihnen aber den giftigen Stachel.
»Ich weiß genau«, sagte er, »was damals geschehen ist. 85 Charles Street, nicht wahr? Michele und Tano Carnevare, dazu noch ein paar andere. Das ist kein Geheimnis mehr, auch wenn Ihnen das lieber wäre, Signorina Alcantara.« Er schüttelte langsam den Kopf. »Ich frage mich nur, wie Sie trotzdem noch immer den Kontakt zu einem Carnevare pflegen können.«
»Ich bin vergewaltigt worden«, presste sie tonlos hervor. »Nicht von Alessandro.«
»Aber er ist einer von ihnen und wird es immer bleiben. Er war dort, an jenem Abend.«
Einen Augenblick lang überfielen sie Zweifel und sie hasste sich dafür. Sie war auf dem besten Weg, sich von ihm in die Defensive drängen zu lassen. Das durfte sie nicht zulassen.
»Wie sind Sie an das Video gekommen?« Die Wut klirrte kalt in ihrer Stimme, und Eis machte sich auch in ihrem Inneren breit.
»Sie kennen mich doch ein wenig, Rosa.« Zum ersten Malnannte er sie beim Vornamen, und obwohl es ihr unangenehm war, untersagte sie es ihm nicht. Damit hätte sie nur zugegeben, dass sie sich für die Rolle, die sie zu spielen hatte, um einiges zu jung fühlte. Sollte er sie nennen, wie er wollte.
Vom anderen Ende der Terrasse blickte Cristina di Santis zu ihnen herüber.
»Sie kennen mich«, wiederholte Trevini, als würde es dadurch wahrer. »Ich würde Ihnen gern einen klugen Plan präsentieren, mit dessen Hilfe ich diese Aufnahme an mich gebracht habe. Aber die Wahrheit ist viel profaner. Das Handy mit dem Video wurde für Sie abgegeben, Rosa, in einer Filiale der Alcantara-Bank in Palermo. Die Angestellten wussten nicht recht, was sie damit tun sollten. Es einfach in einen Umschlag zu stecken und per Post ans andere Ende der Insel zu schicken erschien ihnen womöglich nicht angemessen.« Er hob die Schultern, aber das sah seltsam aus, weil bestimmte Bewegungen ihm Mühe machten. »Oder sie fühlten sich verpflichtet, erst einmal jemanden einen Blick darauf werfen zu lassen, der seit dreißig Jahren der Prellbock ist zwischen den Alcantaras und den Härten der Welt.«
Sie fragte sich, ob es ihr gelingen würde, ihn aus seinem Rollstuhl zu ziehen und über das Geländer zu werfen. Schwer konnte er nicht sein, nur Haut und Knochen unter seinem feinen grauen Anzug.
»So kam die Aufzeichnung zu mir. Ich habe Sie darauf gesehen, Rosa, Sie und den jungen Carnevare, und ich dachte mir, dass es eine tiefere Bedeutung geben müsste, sonst hätte nicht jemand solchen Wert darauf gelegt, dass das Video in Ihre Hände gelangt. Also habe ich ein paar Erkundigungen bei der Polizei in New York einholen lassen. Es dauerte nicht einmal eine Stunde, da hatte die tüchtige Contessa alle Informationen beisammen.« Er strahlte. »Ach, ich liebe es, sie so zu nennen – meine Contessa … Nun, wie auch immer, aus einem scheinbarunbedeutenden Schnipsel von irgendeiner Party wurde plötzlich ein hochbrisantes Bilddokument.«
Rosa sah wieder zu seiner Assistentin hinüber, die reglos dastand in ihrem schicken Kostüm, den eleganten High Heels. Einer der Bodyguards starrte auf ihren Hintern. Rosa entschloss, ihn zu feuern.
»Der nächste Schritt lag auf der Hand«, erklärte Trevini. »Ich ließ die Person ausfindig machen, die das Handy in der Bankfiliale für Sie abgegeben hatte.«
Sie kämpfte wieder gegen die Kälte an und fragte sich, was Alessandro an ihrer Stelle getan hätte.
»Meine Leute stöberten sie in einer Absteige auf. Sie war in keinem guten Zustand, aber noch in der Lage, ein paar Fragen zu beantworten.«
»Sie haben mit Valerie gesprochen?«
»Selbstverständlich.« Trevini frohlockte. »Und Sie können das auch tun. Wissen Sie, Rosa – Valerie Paige ist hier. Hier bei uns in Taormina.«
Die Gefangene
A m Ende eines langen Weges durch die Keller, weitab der Wäscherei und des Weinlagers, bremste Trevini den Rollstuhl vor einer Eisentür mit verriegelter Sichtluke.
»Die Direktion war so freundlich, sie für meine Zwecke einzubauen«, erklärte er.
Rosa konnte den Blick nicht von der verschlossenen Luke lösen. »Guter Service.«
»Ich bewohne meine Suite seit vierunddreißig Jahren. Da darf
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