Arkadien 02 - Arkadien brennt
noch« – sie blickte in den Salon und sah Di Santis mit den Leibwächtern flirten – »mit der da.«
»Das Leben ist eine nimmer endende Kette von Prüfungen, meine Liebe.«
»Wenn Sie mich noch mal so nennen, karre ich Sie über die Brüstung.«
Er lachte. »Gegenseitiger Respekt ist etwas Wunderbares. Aber deswegen sind Sie nicht hergekommen. Das Video hat Sie interessiert, doch das war nicht alles, richtig?«
Haarsträhnen hatten sich im scharfen Seewind aus ihrer Spange gelöst und wehten um ihr Gesicht. »Ich will Ihnen ein Angebot machen, Avvocato. Wir können stundenlang um den heißen Brei herumreden, aber wir wissen beide, worauf es hinausläuft: Wir sind voneinander abhängig. Ich kann Sie nicht leiden – nun, vielleicht ein bisschen mehr als Ihre Contessa da drinnen. Sie ist wahrscheinlich sogar beim Sprint auf High Heels unschlagbar.«
Da lachte er herzhaft. Auf diese Art also bekam sie ihn zu fassen. Einfach die Wahrheit sagen.
»Sie sind so abhängig von mir wie ich von Ihnen«, sagte sie, ein wenig erleichtert, dass sie nun auf den Monolog zurückgreifen konnte, den sie sich zurechtgelegt hatte. »Ich hab keinen Schimmer von den Geschäften der Alcantaras und brauche jemanden, der das alles von mir fernhält. Und damit haben Sie offenbar schon begonnen. Umgekehrt könnten Sie nie der capo der Alcantaras sein, weil Sie nicht zur Familie gehören. Meine Verwandtschaft in Mailand und Rom würde einen wie Sie niemals als Oberhaupt des Clans akzeptieren. Als Anwalt, der sie aus dem Knast herausboxt, und als menschliches Rechenwunder und Finanzgenie – kein Problem, dafür lieben die Sie. Aber Sie sind kein Alcantara und werden niemals einer sein.«
Er beobachtete sie jetzt ganz genau. »Was schlagen Sie vor?«
»Ich bin das Oberhaupt des Clans, und daran wird sich nichts ändern. Ich fange an, mich hier auf der Insel zu Hause zu fühlen. Ich repräsentiere das, wofür diese Familie steht, und ichbin jetzt das Gesicht des Clans, ob es den anderen gefällt oder nicht.«
Auswendig gelernt, aber es klang ganz gut, fand sie.
»Warum wollen Sie sich das antun?«, fragte er. »Warum nehmen Sie nicht einfach einen Haufen Geld und Ihren neuen Freund und leben irgendwo am anderen Ende der Welt in ewiger Glückseligkeit?«
»Weil niemand – nicht Sie und nicht diese Idioten in Palermo und Rom und sonst wo –, weil keiner von Ihnen mir etwas zutraut. Weil alle nur darauf warten, dass ich Scheiße baue.«
»Das ist eine« – er lächelte wieder – »unorthodoxe Sicht der Dinge. Aber ich verstehe, worauf Sie hinauswollen.«
»Ich nehme dieses Erbe an, Avvocato. Ich werde die Alcantaras anführen.«
»Und Sie glauben, dass Sie das können?«
Sie schenkte ihm ein süßes Lächeln. »Genau hier kommen Sie ins Spiel. Sie tun das, was Sie schon all die Jahrzehnte über getan haben – Sie bleiben das Genie im Hintergrund. Der Drahtzieher. Der liebe Gott von Taormina. Was Sie auch hören wollen, ich schmier’s Ihnen ums Maul. Ich kenn mich aus mit Komplimenten, wirklich.«
Er stieß ein Seufzen aus. »Ich denke, ich verstehe Sie auch so. Sie repräsentieren. Und ich erledige die ganze Arbeit.«
»Das ist der Plan.«
Er atmete tief durch. »Ich bin ein alter Mann.«
»Was brauchen Sie? Noch eine Pflegerin wie die da? Längere Beine, größere Brüste?«
»Ich kann sehr stur sein. Eigensinnig. Unangenehm.«
»Und Sie haben die Contessa, um das an ihr auszulassen.«
Er lächelte. »Kein Vetorecht für Sie. Keine Mitsprache in geschäftlichen Belangen.«
»Vergessen Sie’s.«
»Wir spielen das Spiel so oder gar nicht.«
Sie schüttelte den Kopf. »Sie verstehen es offenbar noch nicht, Avvocato. Ich mache die Regeln. Sie werfen die Würfel und sorgen dafür, dass die Sechs oben liegen bleibt.«
Er blinzelte, vielleicht weil sie vor der Sonne stand. Oder weil sein Ausdruck nun doch etwas verkniffener wurde. »Was wollen Sie, Rosa?«
»Ich bin nicht Mutter Theresa. Ich weiß, worauf ich mich einlasse. Aber es wird Regeln geben. Keine Waffengeschäfte. Keine Drogen.«
Er lachte sie aus, wie sie es geplant hatte. »Womit sollen wir dann Geld verdienen? Mit Klingeltönen?«
»Womit wir die ganzen letzten Jahre über das meiste verdient haben – mit Subventionen aus Rom und Brüssel, die Sie für uns abgegriffen haben. Geld für Windräder, die keinen Strom erzeugen, zum Beispiel.«
»Es geht nicht ohne die Waffen«, sagte er kategorisch. »Sonst suchen Sie sich einen anderen.«
Rosa
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