Arkadien 02 - Arkadien brennt
Clanfehde, die quer über den Atlantik ausgetragen wird, verursacht mehr Aufruhr, als den meisten lieb sein kann.«
»Haben Sie irgendwelche Beweise dafür?«
»Sie und ich, Rosa, wir sind nicht die Polizei. Ich habe kein Interesse daran, Alessandro Carnevare eines Verbrechens zu überführen. Das wäre ein wenig albern, nicht wahr?«
Der Hörer zitterte leicht an ihrem Ohr. Sie umklammerte ihn fester.
»Aber so, wie es aussieht, hat er Sie belogen, falls er behauptet hat, er habe nichts mit diesen Morden zu tun. Verstehen Sie? Was gibt Ihnen die Sicherheit, dass er das Gleiche nicht auch schon früher getan hat? Oder seither?« Der Tonfall des Anwalts wurde schärfer. »Er geht über Leichen und wird immer Geheimnisse vor Ihnen haben. Sie dürfen ihm nicht vertrauen. Ganz gleich, was er sagt – alles kann eine Lüge sein.«
»Weil Sie ein paar Gerüchte gehört haben?«
»Im Zweifelsfall – ja. Diese Morde sind eine Tatsache. Die Herkunft des Befehls dazu ebenfalls. Alles deutet in dieselbe Richtung. Und es ist noch nicht vorbei. Erst traf es Micheles Bruder Carmine, dann mehrere seiner Cousins. Und seit dem misslungenen Anschlag auf Michele sind bereits zwei weitere Carnevares ermordet worden.« Sie hörte ihn mit Papier rascheln. »Jetzt trifft es offenbar die Jüngeren. Thomas Carnvare, der nicht einmal mehr Italienisch gesprochen hat, war gerade einmal zwanzig. Und Mattia Carnevare war –«
»Mattia?«
»Sie kennen ihn?«
»Wie ist er gestorben?«
»Die Leiche wurde verbrannt, viel mehr weiß man noch nicht. Man hat ihn auf einer Mülldeponie gefunden, in Crown Heights. Das ist ein Teil von –«
»Brooklyn«, flüsterte sie.
»Natürlich. Sie kennen sich aus.«
»Mattia ist nicht von irgendeinem Auftragskiller getötet worden«, sagte sie. »Das war Michele selbst.«
Trevini schwieg einen Moment. Vielleicht erwartete er eine Erklärung. Sie würde ihm keine geben. War Mattia noch in derselben Nacht ermordet worden? Hatte er vor den anderen am Bootshaus fliehen können und war später umgekommen?
»Was wissen Sie darüber?«, fragte der Avvocato.
»Nur, dass Mattia Carnevares Tod nichts mit Alessandro zu tun hat. Das war eine Strafaktion innerhalb der Familie.«
Trevini murmelte ungehalten etwas zu sich selbst. Dann fragte er: »Haben Sie Alessandro Carnevare von den Pelzen erzählt?«
»Nein.«
»Ich kann nur beten, dass das die Wahrheit ist. Dieser Junge ist besessen davon, Rache zu nehmen – erst für den Tod seiner Mutter, dann für das, was Michele Carnevare Ihnen angetan hat. Wer weiß, was geschieht, wenn ihm klar wird, dass die Häute seiner Verwandtschaft auf Kleiderbügeln in Ihrem Keller hängen.«
Rosa starrte auf die leere Wand. Sie wäre gern aufgesprungen und umhergelaufen, aber das verdammte Steinzeittelefon hatte ein viel zu kurzes Kabel.
»Halten Sie sich da raus«, sagte sie und erschrak über das Schwanken ihrer Stimme. »Alessandro ist allein meine Angelegenheit.«
»Da täuschen Sie sich. Hier geht es um mehr als um die Frage, mit wem Sie Händchen halten.«
Sie würde nicht zulassen, dass er zerstörte, was zwischen ihr und Alessandro war. Niemand konnte das.
»Es geht um die Familie«, sagte er. »Um das Erbe, das Sie akzeptiert haben. Um das Vermächtnis Ihres Vaters. Das sollte Ihnen wichtig sein.«
»Mein Vater liegt nicht in seinem Grab.«
»Wie bitte?«
»Ich habe seinen Sarg geöffnet. Darin liegen Ziegelsteine.«
Am anderen Ende der Leitung blieb es lange still.
»Keine guten Ratschläge?«, fragte sie nach einer Weile.
»Ich denke nach. Darüber, dass Sie sich um wichtigere Dinge kümmern sollten als –«
»Als die Tatsache, dass der Scheißsarg meines Vaters leer ist?«, brüllte sie. Und sie tobte einfach weiter, ob sie wollte oder nicht: »Sparen Sie sich Ihren Oberlehrerton, Trevini! Genau wie Ihre Warnungen und Prophezeiungen und all den Mist! Wir haben einen Deal. Wenn ich Ihren väterlichen Rat brauche, melde ich mich. Und hören Sie auf, hinter Alessandro herzuschnüffeln.«
Er blieb ruhig, was sie nur noch wütender machte. Pure Berechnung. Sie konnte es spüren, sogar durchs Telefon. »Ganz wie Sie wünschen, Rosa.«
»Und ich will, dass Sie Valerie laufenlassen.«
»Haben Sie sich das gut überlegt?«
»Wir brauchen sie nicht mehr.«
»Vergessen Sie nicht, was sie Ihnen angetan hat.«
»Das ist meine Sache, oder?«
Er schien den Mund noch näher an den Hörer zu bringen, denn jetzt flüsterte er, ohne leiser zu werden:
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