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Arkadien 02 - Arkadien brennt

Titel: Arkadien 02 - Arkadien brennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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senken.
    Es knisterte im Lautsprecher des Handys. Das Display wurde dunkel, dann wieder hell. Rötlich.
    Sie blickte in ihr eigenes Gesicht.
    In ihre aufgerissenen, hellwachen Augen.

    »Ich brauche dich«, flüsterte sie ins Telefon. »Ich will bei dir sein.«
    Sie hasste ihre tränenerstickte Stimme. Hasste sich sogar dafür, dass sie ihn angerufen hatte.
    »Ich setze mich jetzt ins Auto«, sagte sie leise, »und komme zu dir.«
    »Auf keinen Fall.« Alessandros Stimme bekam diesen Unterton, mit dem er Widerspruch im Keim ersticken konnte. Der capo -Ton, den er von seinem Vater geerbt hatte. »In dem Zustand fährst du nirgendwohin. Ich bin gleich bei dir. Anderthalb Stunden, vielleicht schaff ich’s noch schneller. Ich bin schon unterwegs.« Tatsächlich hörte sie seine Schritte in den steinernen Fluren des Castello Carnevare, hastig, aufgebracht. Seine Eile verriet ihn. Die Entschiedenheit in seiner Stimme war nur vorgeschoben.
    »Es tut mir leid«, sagte sie. »Ich … ich will jetzt nicht allein sein.«
    Ihre Lippen berührten den Telefonhörer. Es war ein altmodisches Gerät, mit gebogenem Hörer an einem Spiralkabel.
    »Ich fahre jetzt los«, hörte sie Alessandro bald darauf sagen, und prompt heulte der Motor seines Ferrari auf.
    »Lieb von dir.«
    »Ich hätte da sein sollen, als du dir das angeschaut hast.«
    Ihm mussten Fragen auf den Lippen brennen, aber er hielt sie zurück. Sie stellte sich seinen verbissenen Gesichtsausdruck vor. Das hier würde auch für ihn schwer werden, das wusste sie. Aber sie wollte, dass er es mit eigenen Augen sah, und dann sollte er ihr sagen, dass sie nicht irre geworden war.
    »Bist du sicher, dass es echt ist?«, fragte er nach kurzer Pause. Seine Stimme hallte ein wenig. Er hatte die Freisprechanlage im Wagen eingeschaltet.
    »Was soll es denn sonst sein? Die Scheiß- Toy-Story ?«
    »Ich meine, weil es von Trevini kommt.«
    »Das hier hätte er nicht fälschen können. Nicht mal er.«
    »Er hat dir das nur geschickt, um dich zu verletzen.« Alessandro machte keinen Hehl daraus, dass er vor Wut auf den Avvocato kochte.
    »Kann sein. Aber wenn ich es nicht gesehen hätte …«
    »Ginge es dir jetzt besser.«
    »Ich kann dir das nicht am Telefon erklären.«
    Der Motor brummte monoton im Hintergrund. In Gedanken sah sie den Ferrari über einsame Straßen jagen, zwischen kargen, dunklen Hügeln. »Ich weiß nicht, ob ich das wirklich anschauen sollte. Das ist zu –«
    »Intim?«, fuhr sie auf. »Das da auf dem Video ist so intim wie ein Bolzenschuss im Schlachthaus.«
    Und wieder entgegnete er nichts, wohl weil er ahnte, dass er in diesem Moment nur das Falsche sagen konnte. Ihr tat es leid, aber sie kam nicht gegen ihr Temperament an. Wenn sie nicht wütend war, würde sie heulen.
    Sie schämte sich nicht vor ihm für ihre Nacktheit. Auch nicht für ihre Verletzlichkeit oder das Ausgeliefertsein, das sie in ihren eigenen Augen gesehen hatte. Bislang hatte sie angenommen, dass sie während der Vergewaltigung die ganze Zeit über bewusstlos gewesen war. Aber das stimmte nicht. Sie hatte es nur vergessen. Das Zeug in ihrem Cocktail hatte ihre Erinnerung ausgelöscht. Dabei war sie wach gewesen. Sie hatte alles miterlebt, jede verdammte Sekunde.
    »Ich fahr jetzt gleich auf die Autobahn«, sagte Alessandro. »In einer knappen Stunde bin ich bei dir.«
    Sie kauerte noch immer regungslos im Sessel, zusammengekrümmt, die Knie an die Brust gezogen. Ihre Tränen tropften vom Kinn auf ihr schwarzes Top. »Red einfach weiter, ja?«, bat sie ihn leise. »Red irgendwas, damit ich deine Stimme höre.«
    »Trevini wird das noch leidtun. Ihm und Michele.«
    Sie schüttelte den Kopf, überlegte kurz, dann sagte sie: »Trevini bin ich sogar dankbar.«
    »Er wollte dir nur wehtun.«
    »Er hat dafür gesorgt, dass ich die Wahrheit erfahre.«
    »Aber –«
    »Erzähl mir, was du heute gemacht hast«, unterbrach sie ihn. »Erzähl mir deinen ganzen Tag. Von langweiligen Konferenzen, vom Mittagessen. Von dem, was deine Berater sagen. Ganz egal.«
    Er gab nach und seine Stimme wurde eins mit dem leisen, monotonen Rumoren des Motors. Sie hörte ihm zu, ließ sich einlullen von seinen Worten, und so überstand sie die nächste Stunde.

    Alessandros Gesicht war wie versteinert. Seine Haut sah stumpf, fast wächsern aus. In seinen Augen spiegelte sich das Flackern des Videos, während Rosa in der Bibliothek auf und ab ging und an den Fingernägeln kaute.
    Die ganze Zeit über sprach er kein

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