Arktis-Plan
erbarmungslos enger zuzogen.
Sie waren sibirische Jakuten, die fruchtbare alte Rasse, von der die amerikanischen Indianer abstammten, und Experten auf dem Gebiet, in derart trostlosen und eisigen Regionen zu überleben. Sie konnten den Wind ignorieren, der ihre arktische Kleidung durchdrang und die dem Wind zugewandte Seite ihrer Körper fast absterben ließ. Sie waren abgehärtet gegen die brennende Taubheit der Frostbeulen, die sich in ihre Gesichter fraßen. Der Schorf und die zurückbleibenden Narben würden später Ehrenabzeichen sein, die ihre Fähigkeit bezeugten, in Regionen zu überleben, die geringere und verweichlichtere Männer zerstören würden.
Falls sie heute Nacht überhaupt etwas fühlten, dann war es Gluthitze. Die Feuer der Rachsucht loderten hell, denn es galt die Kameraden zu rächen, die durch die Hände derer in der Höhle gestorben waren. Sie hofften, ihre Feinde würden nicht gleich beim
ersten Angriff rasch sterben. In ihrer Weltsicht war Rache etwas, wofür es sich lohnte, sich Zeit zu nehmen.
Lieutenant Pavel Tomaschenko lugte behutsam hinter wirr aufgetürmtem und mit Schnee überzogenem Geröll hervor. Er und sein Sergeant hatten sich an der Felswand entlang bis auf weniger als fünfzig Meter zu der Höhle vorgearbeitet, die ihr Angriffsziel war. Durch sein Nachtsichtgerät konnte er die Leiche des Gefreiten Uluh ausmachen, die vor dem Höhleneingang auf dem Eis lag. Das gab ihm den erforderlichen Anhaltspunkt für die Entfernung.
Der Versuch am Nachmittag, eine Granate in die Höhle zu werfen, war ein Fehler gewesen, aber der Verlust von Kundschafter Toyon an den Scharfschützen hatte ihn in Wut versetzt. Ihn hatte die Ungeduld gepackt, und das hatte ihn letzten Endes zwei Männer anstelle von einem gekostet.
Somit waren insgesamt drei Männer zu rächen. Das Signal zum Angriff durch den Transponder, den Major Smyslov mit sich trug, war der letzte Kontakt mit ihrem Agenten innerhalb des amerikanischen Untersuchungsteams gewesen. Irgendwie mussten die Amerikaner Smyslovs wahre Absicht bei dieser Mission erkannt und ihn getötet haben. Das war bedauerlich, aber es war auch ein Faktor weniger, der ihnen bei dem bevorstehenden Angriff Sorgen bereiten musste.
Sie machten ihre Sache richtig gut, dachte Tomaschenko, der Mann und die Frau in der Höhle. Wahrscheinlich gehörten sie zu den Sondereinheiten des Militärs der Vereinigten Staaten oder zur Central Intelligence Agency. Wenn er und seine Soldaten ihnen in die Höhle folgten, würde es sein, wie die Jagd auf ein sibirisches Tigerpaar. Wenn sie sie töteten, mussten sie sichergehen, dass beide wirklich mausetot waren.
Jetzt wurde es erst richtig dunkel, der Beginn einer sechzehnstündigen arktischen Nacht. Tomaschenko sah ein letztes Mal mit einem zusammengekniffenen Auge durch das Nachtsichtgerät. Der
Photomultiplier glich den Mangel an Licht aus, aber nicht das dichter werdende Schneetreiben, und jetzt entlud sich in der Kälte zu allem Überfluss auch noch die Batterie des Geräts. Seine Männer hatten ihre Befehle und würden ihre Stellungen bezogen haben. Es war sinnlos, das Ganze noch länger hinauszuzögern.
»Halten Sie sich bereit, Sergeant.«
Sergeant Vilyayskij knurrte zustimmend und zog die Leuchtpistole aus dem Holster, das an seinen Gurt geklemmt war.
Tomaschenko nahm eine RGN-86 Handgranate aus dem Patronengurt, der über seiner Brust gekreuzt war, und zog eine Pfeife unter seinem Parka heraus. Als er der sibirischen Garnison gerade erst zugeteilt worden war, hatte er einmal den Fehler gemacht, die Pfeife an ihrer Kette draußen auf seiner Brust baumeln zu lassen. Das Metall des Mundstücks hatte ihm das Fleisch von den Lippen gerissen.
»Ausleuchten!«
Der Sergeant gab einen Schuss ab und ließ die Leuchtkugel flach über das Eis schlittern, damit sie in der Nähe der Höhle liegen blieb und den Eingang in den grellen, bläulich weißen Lichtschein von brennendem Magnesium hüllte. Tomaschenko hob die Pfeife an seine Lippen und blies durchdringend hinein.
Aus allen Richtungen schossen die RPK-74 Maschinengewehre eine lange, geballte Salve ab und ihre Leuchtspurgeschosse strömten vor dem Höhleneingang zusammen. Im nächsten Moment schlugen um den Höhleneingang herum ein halbes Dutzend Gewehrgranaten auf und schleuderten die Leiche des Gefreiten Uluh mit einem grotesken Salto zur Seite. Eine der Granaten konnte einen klaren Treffer in den Schlund des Tunnels landen und ließ von der Barrikade vor der
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