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Arm und Reich

Arm und Reich

Titel: Arm und Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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traditionell angenommenen früheren Zeitpunkten des Beginns der Pflanzendomestikation in Amerika aus, so vergingen nicht 1500 bis 2000, sondern 5000 Jahre, bis Dörfer entstanden, die auf Landwirtschaft basierten. Im Unterschied dazu war die Entstehung von Dörfern in großen Teilen Eurasiens zeitlich eng mit dem Beginn der Landwirtschaft verknüpft. (Die Jagd- und Sammelwirtschaft war in manchen Gebieten beider He­misphären schon vor dem Aufkommen der Landwirt­schaft ertragreich genug, um die Entstehung von Dör­fern zu ermöglichen – in der Alten Welt beispielsweise in Japan und Vorderasien, in der Neuen Welt in Küsten­gebieten Ecuadors und im Amazonasgebiet.) Welchen Stellenwert der Mangel an domestizierbaren Wildpflan­zen und -tieren in der Neuen Welt hatte, veranschau­lichen die Veränderungen, die in indianischen Gesell­schaften durch das Eintreffen fremder Anbaupflanzen oder Haustiere aus anderen Teilen Nord- und Südame­rikas beziehungsweise aus Eurasien ausgelöst wurden. Beispiele hierfür sind die Ankunft von Mais im Osten der USA und im Amazonasgebiet, die Einführung des im südlichen Andenraum domestizierten Lamas in den nördlichen Anden und das Auftauchen des Pferdes in vielen Teilen Nord- und Südamerikas.
    Neben Eurasiens früherem Start und seinen Tier- und Pflanzenarten trug auch die leichtere Ausbreitung von Tieren, Pflanzen, Ideen, Techniken und Menschen zur Beschleunigung der dortigen Entwicklungen bei. Die Ur­sache liegt in verschiedenen geographischen und ökolo­gischen Faktoren. Im Gegensatz zur in Amerika domi­nierenden Nord-Süd-Achse ermöglichte die eurasische Ost-West-Achse die Ausbreitung von Pflanzen und Tie­ren, Menschen und kulturellen Errungenschaften ohne einen wesentlichen Wechsel der geographischen Breite und der damit verbundenen Umwelteigenschaften. An­ders als Eurasien mit seiner relativ konstanten Breite ent­lang der gesamten Ost-West-Ausdehnung verengt sich die Neue Welt in Mittelamerika und besonders in Pana­ma zu einem Nadelöhr. Nicht zuletzt waren Nord- und Südamerika auch durch Gebiete, die sich für landwirt­schaftliche Zwecke oder eine dichte menschliche Besied­lung nicht eigneten, stärker zergliedert. Ökologische Bar­rieren dieser Art waren beispielsweise die Regenwälder der Landenge von Panama, die mesoamerikanische Zi­vilisationen von solchen in den Anden und im Amazo­nasgebiet trennten, die Wüsten im Norden Mexikos, die als Hindernis zwischen Mesoamerika und den Zivilisa­tionen im Südwesten und Südosten der USA lagen, te­xanische Trockengebiete zwischen dem Südwesten und dem Südosten der USA sowie die Wüsten und hohen Berge, die Gebiete an der Pazifikküste der USA, die an sich für Landwirtschaft gut geeignet waren, unzugäng­lich machten. Die Folge war, daß zwischen den Zivili­sationszentren in Mesoamerika, im Osten der USA, in den Anden und im Amazonasgebiet kein Transfer von Haustieren, Schrift oder politischen Organisationsfor­men und nur eine begrenzte beziehungsweise äußerst langsame Diffusion von Anbaupflanzen und technischen Neuerungen stattfand.
    Einige Konsequenzen dieser inneramerikanischen Barrieren verdienen besondere Erwähnung. So fand die Landwirtschaft vom Südwesten der USA und vom Mississippital nie den Weg zu den heutigen amerikani­schen Kornkammern in Kalifornien und Oregon, de­ren indianische Bewohner Jäger und Sammler blieben, weil es ihnen schlichtweg an geeigneten Anbaupflanzen und Haustieren mangelte. Aus dem Andenhochland ge­langten Lamas, Meerschweinchen und die Kartoffel nie ins Hochland von Mexiko, so daß Mesoamerika und Nordamerika ganz ohne domestizierte Säugetiere (vom Hund abgesehen) auskommen mußten. In umgekehrter Richtung drang die domestizierte Sonnenblume aus dem Osten der USA nie bis nach Mesoamerika vor, und der domestizierte Truthahn schaffte es von Mesoamerika aus weder bis nach Südamerika noch in den Osten der USA. Mais und Bohne brauchten 3000 beziehungswei­se 4000 Jahre, um die gut 1100 Kilometer von den Ackern Mexikos bis zu denen im Osten der USA zu über­winden. Nachdem der Mais dort endlich eingetroffen war, vergingen sieben weitere Jahrhunderte, bis eine an die nordamerikanischen Klimaverhältnisse angepaßte Sorte gezüchtet war; vermutlich löste sie am Mississip­pi die Entstehung der Moundbuilder-Kultur aus. Mais, Bohnen und Kürbisse benötigten möglicherweise meh­rere Jahrtausende, um von Mesoamerika in den Südwe­sten der USA zu gelangen. Während

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