Arsen und Apfelwein
etwas auf einen Zettel und reichte ihn schweigend Jenny.
Sie warf einen kurzen Blick darauf. »Gut. Ich hoffe, Sie planen keinen Auslandsaufenthalt in den nächsten Tagen?«
Er wich etwas zurück. »Nein … wieso? Ich bekomme gar nicht frei um diese Jahreszeit. Weihnachtsgeschäft, wissen Sie?«
Jenny drehte sich um und ließ ihn kommentarlos stehen. Ärgerlich stieg sie ins Auto und knallte die Tür zu. Logo sah sie stumm von der Seite an. Sie schlug aufs Lenkrad. »Verdammt, ich hätte wissen müssen, dass sie abhaut.«
»Woher?«, meinte Logo. »Sie galt nicht als verdächtig. Oder ist mir da etwas entgangen?«
»Jeder ist zunächst verdächtig. Und sie hatte engen Kontakt mit dem Jungen.«
»Wir können es jetzt nicht mehr ändern.« Er griff nach seinem Handy. »Gib den Zettel her. Sascha kann die Buchung schon überprüfen.«
Sie fanden Sascha im Büro über einen Kalender gebeugt. Er sah kaum auf, als sie ins Zimmer kamen. »Seltsam. Hat Logo nicht am Telefon gesagt, die Müller wäre spontan auf die Philippinen geflogen?«
»Das hat ihr Mann behauptet.«
»Der Flug wurde aber schon am Morgen, nachdem Marc Duprais gefunden wurde, gebucht.«
Jenny ließ sich auf ihren Stuhl fallen. »Das ist allerdings interessant. Hin- und Rückflug?«
»Nur Hinflug. Die Dame im Reisebüro war sehr auskunftsfreudig.« Er blickte auf und schüttelte den Kopf. »Sie hat mich gefragt, ob ich mit ihr ausgehe.« Hilflos blickte er Jenny an. Die musste ein Lächeln unterdrücken. »Und? Gehst du? Du bist doch immer noch Single, oder ist das was Festes mit deiner Eislaufbekanntschaft?«
»Nicht so richtig, aber ich kenne die Dame aus dem Reisebüro doch gar nicht«, meinte er entrüstet, »vielleicht hat sie Übergewicht und Akne!«
Jetzt musste Jenny wirklich lachen. »Mut zum Risiko. Sie kennt dich ja auch nicht. Steht vielleicht auf Uniformen.«
»Weil ich auch so oft eine trage«, murmelte er. »Zurück zum Thema. Frau Müller wollte unbedingt den frühesten Flug. Sie hätte zwei Tage später günstiger fliegen können.«
»Auf den Philippinen kommen wir nicht an sie ran. Um Amtshilfe können wir auch nicht ersuchen. Noch wird ihr nichts konkret vorgeworfen.«
»Was soll sie für ein Motiv haben?«, fragte Sascha.
Jenny erzählte ihm kurz von der Aussage Ramona Wiesners. »Duprais hat sie auffällig schlecht behandelt. Irgendetwas fand zwischen ihnen statt.«
»Und die Wiesner?«
»Seltsame Geschichte. Ein junger toll aussehender Mann holt sich eine mittelmäßig aussehende Hostess und beginnt eine Art Beziehung mit ihr. Zumindest sie sah es wohl nicht ausschließlich geschäftlich.«
»Da liegen tiefe Emotionen begraben«, warf Logo ein. »Eifersucht. Gewinnsucht. Sexuelle Abhängigkeit.«
»Ohne handfesten Beweis kommen wir nicht weiter«, ärgerte sich Jenny. »Ich habe das Gefühl, jeder verschweigt uns etwas.«
Logo versuchte, sie abzulenken. »Was ist denn bei der Auswertung seines Navis rausgekommen?«
»Er hat sich auffällig viel im Westend und in Bockenheim aufgehalten. Das Verbindungshaus liegt zwar in der Gegend, aber da war er nur selten.«
»Was sollte er sonst in diesem Teil Frankfurts gemacht haben? Da sind doch nur Wohnhäuser und Botschaften.«
»Sein Vater ist doch Botschafter?«, warf Sascha ein.
Jenny dachte nach. »Wie hat er es ausgedrückt? Honorarkonsul eines kleinen afrikanischen Staates.«
»Was ist ein Honorarkonsul genau?«, wollte Logo wissen.
»Ein Konsul mit weniger Rechten und nicht so umfassender Immunität«, erklärte Sascha. »Oft Staatsangehöriger des Landes, in dem das Konsulat ist. Der Frankfurter Brauereibesitzer, der 2010 verstorben ist, war zum Beispiel Honorarkonsul von Chile. Als das so groß in der Zeitung stand, hab ich’s nachgeschlagen.«
Jenny und Logo starrten ihn an. »Ein wandelndes Lexikon«, meinte Logo anerkennend.
»Allgemeinbildung«, antwortete Sascha und schaute verlegen auf seinen Schreibtisch.
Jenny beachtete ihre Kollegen nicht weiter, sondern griff nach dem Telefon. Sie ließ sich mit Duprais verbinden. Nach kurzer Zeit kam er an den Apparat.
»Herr Duprais, Sie sind doch Honorarkonsul. Inwieweit haben Sie mit hiesigen Botschaften zu tun?«
Es war einen Moment still. »Was hat das mit Marcs Tod zu tun?«
»Beantworten Sie bitte meine Frage.«
»Sowohl in meiner Eigenschaft als Honorarkonsul als auch in meiner Tätigkeit als Geschäftsführer der Firma bin ich des Öfteren in den Botschaften der Länder, mit denen wir
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