Artefakt
Jazmine.
Duartes trat vor und drückte die Hand mit dem Gegenstand darin – eine weitere Waffe, vermutete Rahil – nach unten. »Um Himmels willen, Magda, es sind Kinde r !«
»Auch Kinder sprechen«, sagte Magda.
»Kinder sprechen viel«, sagte die zweite Gestalt, die ein Spiegelbild der ersten zu sein schien. Anders angeordnete Stoffstreifen bildeten die einzig erkennbaren Unterschiede. »Sie reden und reden und verraten alles.«
»Diese Kinder wollen weg von hier, Magdalena, wer könnte es ihnen verdenken?« Duartes blickte zum Sand empor, den der Wind über die Hügel hinweg Richtung Stadt und Meer trug. »Und wenn sie uns begleiten, können sie niemandem etwas verraten.«
»Bedeutet das, Sie nehmen uns mit?«, fragte Rahil hoffnungsvoll. Er hielt noch immer Jazmines Hand.
»Was habt ihr angestellt? Warum wollt ihr weg? Und was würden eure Eltern sagen, wenn ihr einfach verschwindet?«
»Wir sind allein«, sagte Rahil. »Niemand wird uns vermissen. Und wir haben nichts angestellt. Wir möchten nur weg von hier und ein anderes Leben führen.«
Er schaute an Magda und Magdalena vorbei in den Raum, der größer war als jener mit den Waffen in der Zitadelle. Kisten und andere Behälter stapelten sich darin, und ganz hinten, halb hinter einer großen Tonne, stand ein Aquarium, in dem sich etwas bewegte.
Duartes trat vor die Tür. »Oh, hier haben wir einen neugierigen jungen Mann. Vielleicht sollten wir doch besser dafür sorgen, dass seine Augen blind werden.«
»Zustimmung, Zustimmung«, sagten Magda und Magdalena wie aus einem Mund. Ihre großen Augen blinzelten misstrauisch.
Rahil griff in die Tasche und holte etwas hervor. »Wir haben das hier. Genügt es als Bezahlung?«
Er gab Duartes den Ring, den er von seinem Vater erhalten hatte, mit einem der Steine, die das vom legendären Jere Laureno Tennerit gestohlene Zepter der Joulwan geschmückt hatten.
Duartes nahm den Ring entgegen und betrachtete ihn. »Nicht schlecht, mein Junge, nicht schlecht. Hübsches Glas.«
»Es ist ein echter Edelstein«, sagte Rahil. »Und er steckt in echtem Gold.«
Duartes lächelte. »Gold, mein Junge, hat längst seinen Wert verloren. Zumindest bei uns in der Zivilisation. Jede Schmiede kann mit dem richtigen Programm Gold produzieren. Und was den Stein betrifft …«
»Er ist authentisch und hat historische Bedeutung.« Der Ring als Bezahlung für den Flug, das war der Plan. Aber was, wenn der Händler den Ring ablehnte? Rahil musste sich eingestehen, dass er an diese Möglichkeit überhaupt nicht gedacht hatte.
»Haben will, haben will«, quietschte Magda und streckte Finger wie dünne Zweige nach dem Ring aus.
Magdalena stieß ihre Hand beiseite und griff selbst nach dem Ring. »Ich bin älter als du. Als Erstgeschlüpfte kann ich entscheiden, wer was erhält.«
Duartes schloss die Hand um den Ring. »Das Schiff gehört mir. Die Bezahlung für eine Passage geht an mich.«
Jazmine starrte die beiden fast zwei Meter großen Gestalten mit den eckigen Köpfen neugierig an, und Duartes bemerkte ihren Blick.
»Wenn ich vorstellen darf …«, sagte er und deutete eine Verbeugung an. »Magda und Magdalena, die Zickigen Zwillinge, wie ich sie nenne. Sie lassen kaum eine Gelegenheit aus, sich zu streiten. Wie man kaum übersehen kann, sind es keine Menschen, sondern Kzosek. Sie gehören zu einem der Sieben Völker.« Bei den letzten Worten wurde Duartes’ Stimme leiser und nachdenklicher. »Junge Dame, kann es sein, dass wir uns schon einmal über den Weg gelaufen sind? Du kommst mir irgendwie bekannt vor.«
Rahil trug die Maske, die ihn vor Erkennung schützte. Jazmine hatte ihm gesagt, dass sie dem Händler nie begegnet war, und für Rahil gab es nicht den geringsten Grund, daran zu zweifeln. Aber konnte es sein, dass Duartes irgendwo in der Zitadelle Bilder von Jazmine gesehen hatte? Wenn er sich jetzt daran erinnerte, war ihr Plan ruiniert. Er wäre be stimmt nicht bereit gewesen, Sohn und Tochter des Tennerit-Patrons von Caina fortzubringen. Er hätte fürchten müssen, dass Coltan Jaqiello früher oder später davon erfuhr, und dann wäre es um die guten geschäftlichen Beziehungen geschehen gewesen.
»Ich habe das Asylum heute zum ersten Mal seit Wochen verlassen«, sagte Jazmine, und Rahil bewunderte den Einfallsreichtum seiner Schwester.
»Aus einem Asylum kommt ihr, wie?«, brummte Duartes, und für einen Moment erschien fast so etwas wie Anteilnahme in seinem mumienartigen Gesicht. »Aus einem der
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