Arto Ratamo 7: Der Finne
steilen Felsschlucht, überprüfte ihre Position mit dem GPS-Navigator und sah zufrieden aus. Sie holte aus ihrem Rucksack ein Seil und zeigte den Männern genau, wie man sich damit an der Felswand hinunterließ.
Auf dem Boden der Schlucht angekommen, setzten die Wanderer ihren Weg fort, bis sie einen kleinen von Wald umgebenen Platz erreichten, an dessen Rand ein schwarzes Loch gähnte, der Eingang zu einer großen Felsenhöhle.
»Die Teufelskirche!«, rief Sutela völlig außer Atem.
Als die drei wenig später am Eingang zur Teufelskirche stehen blieben, schaltete Taru Otsamo ihre Stirnlampe ein und holte aus der Schenkeltasche ihrer Hose eine Taschenlampe UK Q-40. »Passt auf, wo ihr hintretet, und hütet euch vor losem Gestein.« Ihre Stimme hallte an den Wänden der Höhle wider, es klang merkwürdig.
Sutela hörte nur noch seinen dröhnenden Pulsschlag, die Neugier und das Adrenalin, das ins Blut strömte, beschleunigten seine Schritte. Als sie weiter vordrangen, erstickte die Dunkelheit auch die letzten Sonnenstrahlen, nur die Lichtkegel der Lampen erleuchteten die Höhle. Erwartete ihn hier etwas, das die Geschichte verändern würde?
Die Teufelskirche schien kein Ende zu haben, sie verengte sich allmählich und wurde immer flacher, bis sich Sutela, der voranging, bücken musste. Ihre Schuhe waren vom Wasser auf dem Boden schon völlig durchnässt, und das Atmen fiel in der dumpfen Luft immer schwerer. Er beleuchtete mit seiner Taschenlampe die vor Feuchtigkeit triefenden Felswände und fluchte, als er vor sich das Ende der Höhle erkannte. Hier würden sie überhaupt nichts finden. Sollte jemand schneller gewesen sein als sie, oder war der Brief seines Vaters nur ein abgeschmackter Scherz? Sutela blieb stehen, es war sinnlos weiterzugehen. Da traf das Licht der Taschenlampe auf irgendetwas; es sah so aus, als würdedie Wand dort glänzen. Er schaute genauer hin und entdeckte eine kleine Öffnung, hinter der das Wasser einer Pfütze glitzerte.
Sutela lief mit großen Schritten weiter und schob seine Lampe in die Öffnung. »Verdammt!« Der leise Fluch entfuhr ihm, als im Licht der helle Knochen eines Schädels auftauchte. Die Taschenlampe fiel ihm aus der Hand, schlug auf dem Boden auf und erlosch. Es dauerte eine Weile, bis er sie wiederfand. Mit zitternden Händen tastete er nach seiner Brille, schob sie zurecht und schlüpfte dann durch die enge Öffnung in die gruftartige kleine Höhle. Die anderen folgten ihm.
»Das ist ein finnischer Soldat. Da sind die grünen Kragenspiegel eines Jägers und da die Winkel eines Unteroffiziers.« Ratamo ließ das Licht seiner Lampe über das Skelett wandern, das in voller Montur auf einem großen Stein lag. Es schien so, als brauchte man nur zu blasen, und alles würde zu Staub zerfallen. »Da neben dem Schädel ist … etwas.«
»Wartet, dabei muss man vorsichtig sein. Ich habe … Erfahrungen mit solchen Dingen.« Sutela trat vor den Soldaten, legte die Taschenlampe auf die Steine und richtete den Lichtkegel seiner Stirnlampe nach unten. »Dem Kameraden hat man mit einer großkalibrigen Waffe zweimal in den Kopf geschossen«, sagte er leise und hob dann langsam und vorsichtig eine kleine Stahlkassette hoch, die neben dem Schädel stand. Vor Aufregung hatte er einen ganz trockenen Mund.
Ratamo und Otsamo stellten sich neben Sutela, als der mit der wasser- und luftdichten Kassette kämpfte, bis sie endlich mit einem zischenden Geräusch aufging. Darin fand sich ein Bündel vergilbter Seiten, die Sutela behutsam herausnahm und auf seine großen Handteller legte. Sein Herz hämmerte, als er die Stempel auf dem oberstenBlatt sah: »Geheim« und »Zu vernichten«. Er las die Überschrift laut vor: »Schwert des Marschalls. Die Garantie der Unabhängigkeit Finnlands heute und in aller Zukunft.«
Sutela blätterte mit zitternder Hand die brüchige Seite um und erblickte eine vertraute Schrift.
Ich habe das Dokument versteckt
Cuningas de Rapalum
»Was zum Teufel sind das für Unterlagen?« Ratamo griff nach Sutelas Handgelenk und blätterte für den Professor weiter um. Der mit Maschine geschriebene Text sah wie eine Buchseite aus:
FINNLAND, Kapitel
1. Wladimir Iljitsch Lenin
Zwischen 1905 und 1917 besuchte Lenin Finnland über zwanzig Mal, oft zusammen mit seiner Ehefrau und Vertrauten Nadeschda Krupskaja. Ende Februar 1906 reisten Lenin und Krupskaja auf die Karelische Landenge, um ihren Schatten von der Ochrana, der Geheimpolizei des Zaren, zu
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