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Arto Ratamo 7: Der Finne

Arto Ratamo 7: Der Finne

Titel: Arto Ratamo 7: Der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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kannten. Ratamo überlegte, wann er sich selbst einmal in solch einem rasanten Tempo verliebt hatte. Es ärgerte ihn außerdem, dass die Lektüre von Sutelas Personenprofil in ihm Zweifel geweckt hatte, ob der wahre Zweck dieser Reise überhaupt mit Otto Forsmans Geschichtsinteresse zusammenhing.
    »Willkommen im Dorf am Kraftwerk Jäniskoski«, verkündete Taru Otsamo. Sie zündete sich eine Zigarette an und verlangsamte das Tempo des Geländewagens so, dass er nur noch dahinkroch. Ratamo schaute irritiert zum Fenster hinaus. Das kleine russische Dorf, das bis 1947 zur Kommune Inari gehört hatte, wirkte abstoßend: alte klapprige Scheunen, verfallene Vorratsgebäude, vor sich hin rostende Fahrzeuge und verrottetes Holz … Mitten in dieser prächtigenNatur sah das Gerümpel noch widerlicher aus als in der Stadt.
    »Von hier sind es noch ein paar Kilometer zu Fuß bis zu dem Punkt mit diesen Kartenkoordinaten«, sagte Taru Otsamo zu Sutela. »Und das Gelände ist schwierig. Wir sollten vielleicht hier übernachten und morgen früh weitergehen. Dort im Gästehaus des Naturschutzgebiets Pasvik Zapovednik können wir schlafen.« Taru deutete mit der Hand auf ein heruntergekommenes Blockhaus.
    Sutela überlegte, wie er Taru erklären könnte, dass ihm der Vorschlag nicht gefiel. Er wollte die Frau nicht verärgern, mit der er buchstäblich schon beim ersten Händedruck eine gemeinsame Wellenlänge gefunden hatte. So etwas war ihm früher nur einmal passiert – mit Marissa. Das weckte unbestimmte Hoffnungen. Doch für ihn stand fest, dass er nicht hier herumsitzen und Nägel kauend auf den nächsten Tag warten würde, wenn nur ein paar Kilometer entfernt möglicherweise ein Dokument wartete, das die Geschichte umkrempeln würde. Kein einziger Historiker wäre fähig, sich in solch einer Situation zurückzuhalten.
    »Es ist noch nicht mal um fünf, und du hast gesagt, dass es hier in dieser Jahreszeit überhaupt nicht dunkel wird. Wollen wir nicht jetzt gleich zur Teufelskirche gehen?« Sutela formulierte seinen Vorschlag so freundlich wie möglich und verlieh ihm mit Handbewegungen Nachdruck.
    »Und wir haben ja auch ein Zelt mit«, fügte Ratamo hinzu. »Ich schlafe lieber darin als in irgendeiner morschen Scheune, wenn wir diese Teufelskirche nicht finden.«
    Ihre quecksilbrige Führerin schien verärgert zu sein und zündete sich eine Zigarette an. »Ich habe dabei nur euer Wohlbefinden im Auge gehabt. Dann packen wir jetzt nur das Allernotwendigste in die Rucksäcke, so kommen wir schneller voran.«
    Der Geländewagen blieb vor einem verlassenen Hausstehen, und das Trio war für eine Weile mit seiner Ausrüstung beschäftigt. Schließlich holte Taru Otsamo ihren GPS-Navigator aus der Tasche, tippte eine Weile etwas ein und führte die Männer dann auf einem schmalen Sandpfad zum Tal des Paatsjoki-Flusses. In dem Gelände am Dorf kam man gut voran.
    Reichlich zehn Minuten später blieb Taru stehen, gab wieder etwas in ihr GPS-Gerät ein und wandte sich in eine Richtung, die vom Flussbett wegführte. Das hüglige Gelände wirkte unberührt und war dicht mit Birken und Gebüsch bewachsen, in der Nähe sah man Kiefernwald. Die Birken und die Bodenvegetation sonderten in der Hitze Feuchtigkeit ab, die sich auf der Haut der Wanderer zu kleinen Tropfen verdichtete. Die Mücken surrten und attackierten, und ihre Opfer verteidigten sich mit Schlägen, die auf die Haut klatschten. Die Tragriemen des schweren Rucksacks scheuerten auf Sutelas Schultern.
    »Hier wachsen Pflanzen, die wirklich etwas Besonderes sind.« Taru Otsamo blieb stehen, als sie den Rand einer saftigen Wiese erreichte. »Im Krieg haben sich durch die Deutschen die Sandschaumkresse, der Große Klappertopf und dieser merkwürdig hoch gewachsene Mittlere Klee hier angesiedelt«, sagte sie und zeigte auf die Pflanzen, als die Männer keuchend an ihr vorbeigingen.
    Ratamo schwitzte wie ein Masseur in einem türkischen Dampfbad, und auch Sutela wirkte erschöpft, Otsamo hingegen schien der Marsch durch das Gelände nicht anzustrengen. Ratamo hätte am liebsten seine Jacke ausgezogen, aber selbst ein Hitzschlag war immer noch verlockender, als einem Mückenschwarm ausgeliefert zu sein. Sie waren schon eine Ewigkeit gelaufen. Dichtes Gestrüpp und Steinbrocken ließen sie nur langsam vorankommen. Er wollte gerade eine giftige Bemerkung machen, dass dies vermutlich die längsten zwei Kilometer der Welt waren, doch dastoppte Taru Otsamo plötzlich am Rand einer

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