Arto Ratamo 7: Der Finne
und sowohl Ihren Sohn als auch das Dokument retten. Wie Sie wissen, kennt die orthodoxe Kirche Russlands die Geheimnisse des Dokuments, genau wie Sie. Wenn Sie unsere Hilfe annehmen möchten, dann klopfen Sie an Ihre Wohnungstür.
Ihm fiel das Blatt aus der Hand, endlich einmal gute Nachrichten. Die russische Kirche hatte ihm schon früher geholfen, er vertraute ihr wie … sich selbst. Dann aber beschlich ihn ein Verdacht. Wie um alles in der Welt hatte die Kirche von seiner Situation erfahren? Vielleicht hatten die Leute vom FSB den Zettel geschrieben, vielleicht schluckte er gerade einen simplen Köder mitsamt der Angelschnur? Sein Kopf war ganz heiß, und die Gedanken steckten in einer Sackgasse. Doch ihm blieb nicht viel Zeit, jetzt musste er fähig sein, sich rasch zu entscheiden. Sollte er ihnen vertrauen oder nicht? Es gab nur zwei Alternativen: Entweder er kehrte in sein Versteck zurück oder er nahm das Hilfsangebot an.
Forsman richtete sich auf und klopfte vorsichtig an die Tür. Im Treppenhaus war nichts zu hören. Er klopfte ein wenig lauter – immer noch keine Antwort. Forsman drehte den Griff, bis die Falle ins Schloss glitt. Er schaffte es noch, die Tür ein paar Zentimeter zu öffnen, dann drängten sich dicke Finger herein, und die Wohnungstür wurde aufgerissen.
28
Forssa, Freitag, 11. August
Arto Ratamo saß am Ecktisch des kleinen Wok- und Grillrestaurants der »Auto-Oase« in Forssa und wunderte sich, warum Taru Otsamo immer noch so nervös, ja fast erschrocken wirkte. Sie waren auf dem Weg nach Vesilahti im Süden Tamperes, weil laut Eerik Sutela die Andeutung in dem letzten Brief dorthin wies. Erst vor ein paar Stunden hatte sich Sutela am Ufer des Pusulanjärvi an Markettas Grillessen gütlich getan, sein anormaler Appetit war jedoch schon wieder erwacht. Im laut dröhnenden Radio der Gaststätte hörte man die üblichen trübseligen Geschichten: Unruhen in Israel, Todesfälle durch die Vogelgrippe in Bulgarien …
Ratamo hatte seine Entscheidung getroffen, er würde Sutela noch bis zum Sonntag als Kindermädchen begleiten. Dann wäre er eine ganze Woche diesen versteckten Dokumenten hinterhergejagt, und das musste dann auch reichen. In den zwei verbleibenden Urlaubswochen könnte er noch seinen Akku aufladen und Nellis Geheimnisse kennenlernen. Nach Ketonens Bericht von Otto Forsmans Visite im Irrenhaus war er nahe daran gewesen, das Spiel sofort abzubrechen, aber die offenen Fragen dieses Falles hatten ihn veranlasst, weiter zu suchen. Warum hatte sich jemand so viel Mühe gemacht, ihnen die in Jäniskoski und Rapola gefundenen Briefe wegzunehmen? War Sutelas Verbindung zum britischen Auslandsnachrichtendienst bloßer Zufall? Glücklicherweise suchte Riitta Kuurma derzeit in der SUPO zusätzliche Informationen sowohl zu Sutela und seinem Schwiegervater Derek Atkins als auch zu Otto Forsman.
»Es kommt mir immer noch verdammt merkwürdig vor, dass uns niemand auf den Burgberg von Rekottila gefolgt ist. Weshalb haben die Verfolger mitten im Spiel so einfach aufgehört, was glaubt ihr?« Sutela stellte die Frage in den Raum, wickelte eine Ladung Spaghetti auf seine Gabel, die er dann in ein Stück Hühnerfleisch spießte.
Taru Otsamo, die erschöpft aussah, schüttelte den Kopf. »Die haben nicht aufgehört, wir haben sie ja gestern mit ungeheurem Aufwand in die Irre geführt. Und Finnland ist immerhin so groß, dass man niemanden einfach im Handumdrehen findet.«
»Vor allem, wenn man nicht zufällig gerade Polizist ist«, ergänzte Ratamo.
Taru Otsamo trank einen Schluck Kaffee, dann schien ihr etwas einzufallen, und sie griff nach Sutelas Handgelenk, um die pausenlose Bewegung seiner Gabel zu unterbrechen.
»Glaubst du alles, was in diesen Briefen behauptet wird? Dass ursprünglich Lenin das ›Schwert des Marschalls‹ besaß. Dass der Winterkrieg dank des Dokuments endete und dass die Sowjetunion den Fortsetzungskrieg gegen Finnland begann, als es verschwunden war.«
Sutela schob seine runde Brille zurecht und überlegte einen Augenblick, während er zugleich kaute und hinunterschluckte. »Möglich ist es. Zumindest stimmen die Fakten in diesen Briefen.«
»Dieses ›Schwert des Marschalls‹ muss etwas enthalten, was nach Ansicht Russlands – oder der Sowjetunion – die Welt auf keinen Fall erfahren soll«, sagte Taru Otsamo leise und drückte ihre Zigarette aus.
»Was für ein Geheimnis kann Kriege auslösen und beenden?«, fragte Ratamo in aggressivem Ton. »Hängt
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