Arto Ratamo 7: Der Finne
wollte? »Ich glaube kein Wort«, erwiderte er schließlich, da ihm nichts anderes einfiel.
»Wir wissen, wo dein Vater ist.«
Jetzt wurde Sutela wütend. »Wer ist wir? Was zum Teufel willst du?«
»Wir wollen verhindern, dass der FSB dich, deinen Vater oder das ›Schwert des Marschalls‹ findet«, antwortete der Mann hinter der Tür mit ruhiger Stimme. »Wir möchten helfen. Rede mit deinem Vater, er kann dir sagen, auf wessen Seite wir stehen.«
Jetzt wurde Sutela alles klar. Der Mann versuchte herauszubekommen, wo sich sein Vater versteckte. Das musste die Erklärung sein. »Ich habe keine Ahnung, wo mein Vater ist«, sagte Sutela und wartete mit klopfendem Herzen auf eine Antwort. Die Sekunden vergingen, aber es war nichts zu hören.
Schließlich riss Sutela die Tür mit solcher Wucht auf, dass er aus dem Gleichgewicht geriet und gegen die Wand prallte. Die Toilette war leer. Er schaute in die anderen Kabinen, entdeckte aber niemanden. Dann sah er etwas auf dem Fensterbrett: einen Zettel mit einer Telefonnummer und eine Gebetsschnur, in deren Mitte ein kleines mit Glasperlen verziertes orthodoxes Kreuz glitzerte.
29
Helsinki, Freitag, 11. August
Die grauhaarige Dame drückte ihren Pudel fester an sich, als sie auf dem Treppenabsatz Rodion Jarkow sah. Sie wandte den Blick erst wieder von dem untersetzten, freundlich nickenden Mann ab, als sie an ihm vorbei gegangen war. Auf der nächsten Treppe schrie die alte Frau erschrocken auf, weil plötzlich noch ein zweiter Mann vor ihr auftauchte. Der Pudel unterstützte sein Frauchen mit einem durchdringenden Bellen.
»Guten Tag, die Dame«, sagte Maxim Gataulin übertrieben höflich in perfektem Finnisch, und die Frau schaute noch ängstlicher drein. Fast wäre sie gestürzt, weil sie die Stufen zu schnell hinabstieg.
Jarkow drückte ein kleines Kontaktmikrofon fest an die Tür der Wohnung in Kruununhaka. Es herrschte vollkommene Stille. Drinnen war kein Laut zu hören, obwohl das Mikrofon alle Geräusche fast auf das Hundertfache verstärkte. Es tickte keine Wanduhr, niemand atmete, man hörte keine Schritte auf dem Teppich, kein Stoffrascheln, wenn sich jemand auf dem Sofa drehte. Nichts. Und das musste auch so sein. Otto Forsman war beim Besuch von Gataulins Leuten in seiner Wohnung nicht da gewesen und nach Aussage der Männer, die das Haus beobachteten, später auch nicht zurückgekehrt. Jarkow hoffte, in den Räumen etwas zu finden, was sie auf die Spur des alten Mannes führen könnte.
Er holte einen elektrischen Dietrich heraus. Erst beim dritten Versuch ließ sich das Schloss öffnen.
In der Wohnung war es stockfinster. Als Jarkow den Lichtschalter fand, schloss Gataulin die Tür. Die Einraumwohnung erinnerte an einen Bunker: Die Fenster waren mit Verdunklungsvorhängen verdeckt, in einer Ecke der Kochnische stand ein halbes Dutzend vollgestopfter Müllbeutel, auf dem Abwaschtisch türmten sich Konservendosen, und an der Wand lag eine schmale Matratze. Es roch muffig.
»Ich habe doch gesagt, dass Forsman nicht hier ist. Und in der Wohnung wirst du nichts finden«, sagte Gataulin schadenfroh.
Jarkow schluckte eine wütende Antwort hinunter, als sein Handy in der Tasche vibrierte. Diese Nummer rief nur die Führerin an, die Eerik Sutela begleitete, er musste das Gespräch annehmen.
»Ich kann nicht lange reden, ich werde erwartet. Ich bin … in einer Tankstelle«, flüsterte Taru Otsamo auf Englisch. »Geht es meiner Tochter gut? Wo ist Paula …«
»Kommen Sie zur Sache.«
»Wir haben einen neuen Brief mit einem Hinweis gefunden«, sagte Taru und gab Jarkow den Inhalt des Briefes so kurz und knapp wie möglich wieder.
Jarkow knirschte mit den Zähnen. An keiner Front kam er voran, die Jagd nach dem »Schwert des Marschalls« wurde anscheinend zu einem endlosen Wettlauf von einem Burgberg zum anderen. »Finden Sie heraus, wie viele Hinweise es noch gibt. Eerik Sutela könnte das wissen.«
»Eerik weiß von all dem auch nicht mehr als ich«, erwiderte Taru, ihre Stimme wurde lauter. »Er kann lediglich die versteckten Hinweise deuten, und die hängen mit den finnischen Königen zusammen … also mit irgendwelchen Sagenkönigen. Diese Hinweise hat sich sein Vater ausgedacht – Otto Forsman. Als Eerik ein kleiner Junge war …«
Jarkow unterbrach seine Informationsquelle: »Wohin fahren Sie jetzt?«
»Der nächste Hinweis befindet sich in Vesilahti, auf dem Burgberg von Onkemäki.«
Jarkow wischte sich den Schweiß von der Stirn und
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