Arto Ratamo 7: Der Finne
das irgendwie mit diesen Krankheiten zusammen, die in den Briefen aufgezählt werden?«
Sutela angelte sich mit der Gabel geschickt eine Nudel, die sich an den Tellerrand verirrt hatte. »Woher soll ich das wissen? Strengt eure Phantasie an. Was ist, wenn die USA die Anschläge vom September 2001 in New York inszeniert haben, um sich einen Grund für den Angriff auf den Irak zu verschaffen. Oder wenn Aids eine von der sowjetischen Armee entwickelte und außer Kontrolle geratene Biowaffe ist. Vermutlich würden die USA und Russland alles tun, damit solche Geheimnisse nicht an die Öffentlichkeit gelangen.«
Sutelas Worte sorgten für Schweigen am Tisch.
»Was geschieht, wenn die Russen das ›Schwert des Marschalls‹ finden?«, überlegte Taru schließlich laut.
»Ich wette, das ganze Dokument wird vernichtet, und das war’s dann. Das Geheimnis gelangt nie ans Tageslicht«, sagte Sutela und dachte daran, dass sein Vater in dem Brief nach London behauptet hatte, es existiere von dem Dokument keine einzige Kopie.
Taru Otsamo und Ratamo sannen wieder über Sutelas Worte nach, und eine Weile hörte man am Tisch nur den Wetterbericht im Radio und den Lärm der anderen Gäste. Sutela schien jeden Bissen zu genießen, als wäre es sein letzter.
Schließlich brach Taru Otsamo das Schweigen. »Erzähle, Eerik, wo genau das nächste Dokument zu finden sein wird. Und wie ist in dem letzten Brief der Hinweis auf Vesilahti enthalten?«
Sutela wischte sich den Mund an der Serviette ab, trank sein Wasserglas aus, lehnte sich zurück und verwandelte sich in Professor Sutela. »Die Unterschrift des Briefes – der von Bischof Maunu Besiegte – ist wieder ein neuer Hinweis auf die Geschichten über die finnischen Könige. Ein Großbauer aus Vesilahti namens David ließ sich nämlich im Jahre 1438 zum finnischen König ausrufen und machte sich dann mit seinen Männern auf den Weg zum Gutshof Viikkiin Pirkkala, wo der Trupp der Überlieferung nach mindestens vier Reisige tötete, also bewaffnete Reiter.«
»Davids Aufstand breitete sich bis nach Häme und Karelien aus, aber dann trafen die Bauern auf Widerstand, und viele bekamen plötzlich Heimweh. Einige Bauern begannen sogar Verhandlungen, um sich zu ergeben, ohne dass König David davon wusste, was an sich in früheren Zeiten keine Seltenheit war. Dieser Aufstand Davids nahm jedoch ein ungewöhnlich glückliches Ende, weil Bischof Maunu Tavast als Vermittler gewonnen werden konnte. Ihm war es zu danken, dass man die Aufständischen ohne größere Strafen heimkehren ließ, und David floh nach Estland. David ist also der ›von Bischof Maunu Besiegte‹ im Brief meines Vaters. Und wie ihr vielleicht erraten werdet, befindet sich im Heimatdorf von König David, in Onkemäki bei Vesilahti, ein Burgberg, auf den mich mein Vater als kleinen Jungen mitgenommen hat. Ich glaube, wir haben dort aus Steinen einen gewaltigen Haufen aufgeschichtet, wenn ich mich recht entsinne.«
Ratamo konnte seine Zweifel nicht für sich behalten. »Finnische Könige und ein Dokument, mit dem man Kriege ausbrechen lässt. Das klingt ziemlich unglaubwürdig. Ich habe immer gedacht, Geschichte ist nur das, was man irgendwie beweisen kann.«
»Die finnischen Könige werden sehr wohl vereinzelt in verschiedenen Quellen erwähnt«, sagte Sutela, als würde er einen schwierigen Schüler zurechtweisen, und gestikulierte dabei lebhaft. »Nach der Sage Olaf Haraldssons wurde einst ein großer Teil des heutigen Schweden von Finnen beherrscht. Der in Sizilien lebende Historiker Al Idrisi schrieb 1154 in seine Weltkarte an der Stelle, wo Finnmark liegt, dass der finnische König Gebiete und Felder in diesem Teil Norwegens besitzt. Ericus Olai erwähnt um 1470, dass Finnland früher ein selbständiges Königreich war. Und aufder von Olaus Magnus im 16. Jahrhundert gezeichneten Carta Marina ist da, wo sich Westfinnland befindet, zu lesen: Finlandia Vel Finningia Olim Regnum, das heißt: Finningia – einstiges Königreich. Und interessant ist auch, warum die Wikinger Finnland nicht eroberten, obwohl sie fast ganz Europa terrorisierten. Möglicherweise gab es eben in Finnland zu der Zeit so gut organisierte Streitkräfte, dass die Wikinger nicht wagten, diese Gegend anzugreifen.«
Ratamo schluckte das letzte Stück seiner Semmel hinunter und steckte sich einen Nikotinkaugummi in den Mund. »Die Geschichte von diesem ›Schwert des Marschalls‹ wirkt einfach ziemlich unglaubhaft. Da fragt man sich doch wohl oder
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