Arto Ratamo 7: Der Finne
zur Entstehung des Faschismus beigetragen haben. Es war obligatorische Lektüre in den Schulen Nazideutschlands.«
»Erkläre das genauer«, sagte Jarkow ungeduldig. Allmählich hatte er das Gefühl, dass die Geschichte Russlands identisch war mit der Geschichte seiner Geheimdienste.
»Die Ochrana hat ein gefälschtes Protokoll einer Geheimkonferenz von Juden angefertigt, die angeblich im Zusammenhang mit dem ersten Zionistischen Weltkongress 1897 in Basel stattfand. In dem Dokument wurden die Pläne der Juden und Freimaurer zur Unterwerfung der christlichen Welt und zur Gründung eines neuen Weltstaates beschrieben.«
Schlagartig wurde Jarkow klar, was Olgas Bericht in der Praxis bedeutete. Er übersprang die üblichen Höflichkeiten, brach das Gespräch ab und überquerte die Pohjoisesplanaditrotz lebhaftem Verkehr bei Rot. Die Lage sah allmählich etwas erfreulicher aus. Wenn er bloß eine Fälschung jagte, würde im Falle seines Versagens zumindest kein nichtwiedergutzumachender Schaden für Russland oder jemand anders entstehen. Vielleicht könnte er seine Karriere noch retten.
30
Helsinki – Moskau, Freitag, 11. August
Otto Forsman spürte den leichten Luftzug auf seinem Handrücken und blieb stehen, acht Schritte von der Tür entfernt. Er fuhr mit der knochigen Hand den Fensterrahmen entlang bis zum Riegel. Es handelte sich um ein ganz normales Fenster, das nicht verschlossen war. Und er befand sich im Erdgeschoss, er könnte fliehen, wenn er wollte.
Der alte Mann fasste weiter lautlos zusammen, was geschehen war. Die Fahrt von Kruununhaka bis hierher hatte nur eine Viertelstunde gedauert, er war also immer noch in Helsinki. Es roch stark nach Reinigungsmittel, diese Räume wurden also vielleicht öffentlich genutzt. Der Harzduft stammte möglicherweise von den Räucherkerzen der Orthodoxen. Sein Geruchssinn funktionierte nun wieder normal, da er selbst nicht mehr stank, dank der Dusche und der sauberen Kleidung, die ihm Vater Peter gegeben hatte. Auch sein Magen war nach langer Zeit wieder einmal gefüllt.
Drei Schritte vom Fenster weg und zwei nach links traf seine Schuhspitze auf das Stuhlbein. Forsman setzte sich hin. Er glaubte, dass es vernünftig gewesen war, mit Vater Peter sein Versteck in Kruununhaka zu verlassen. Bei ihrer Flucht waren sie über den Dachboden in das Nachbarhaus gelaufen und von dort auf die Vironkatu. Er wusste schon lange, dass die russische Kirche das »Schwert des Marschalls« kannte und seine Geheimnisse im Verborgenen belassen wollte, weil sie auch der Kirche schaden würden,wenn sie an die Öffentlichkeit gelangten. Forsman vertraute der russischen Kirche auch deshalb, weil Vater Peter versprochen hatte, Eerik mitzuteilen, dass seine Führerin Informationen an den FSB weitergab. Es verwunderte ihn immer noch, dass sich die von einer äußerst zuverlässigen Person empfohlene Frau als Verräterin erwiesen hatte.
Forsman kannte die gemeinsame Geschichte der russischen Kirche und des »Schwerts« und war deshalb erstaunt, wie wenig Vater Peter anscheinend von dem Dokument wusste. Nicht einmal den in Kirchenkreisen verwendeten Namen – »Opferbuch« – kannte der junge Mann. Er hatte das Gesicht von Vater Peter mit seinen Händen gelesen, der Lockenkopf wirkte sehr aufrichtig. Warum nur hatte der Patriarch einen derart wichtigen Auftrag einem jungen Mann mit einem Kindergesicht erteilt? Dennoch vertraute er Vater Peter, schließlich hatte der ihn vor dem FSB gerettet und Eeriks Führerin entlarvt. Aber sein Vertrauen hatte auch Grenzen, sein Geheimnis würde er nur mit seinem Sohn teilen und mit niemand anderem. Vater Peter hatte ihn nach dem »Schwert des Marschalls« fragen dürfen, aber vergeblich.
Im Nebenraum waren Stimmen zu hören. Forsman lauschte angestrengt und verstand russische Wörter. Sangen sie? Er konnte nichts anderes tun als abwarten und schauen, wie sich die Dinge entwickelten. Bei den Behörden hatte er nur einmal Hilfe gesucht, im Jahre 1968, und diesen Fehler würde er nicht noch einmal begehen. Die Polizei hatte ihn zum Arzt geschickt, und am Ende war er im Krankenhaus von Lapinlahti gelandet …
Er fuhr zusammen, als die Tür aufflog, Schritte näherten sich rasch, direkt neben ihm stand jemand, der außer Atem war.
»Wir hatten ein sagenhaftes Glück und haben Ihren Sohn gefunden, mit Hilfe unserer … Beziehungen. Ich konnteihm eine Botschaft übermitteln, und jetzt ruft er an. Ich hatte schon befürchtet, er würde den Ernst der Lage nicht
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