Arto Ratamo 7: Der Finne
Soldat namens Forsman identisch mit Otto Forsman ist«, ergänzte Ratamo, und sie vertieften sich in das Geschichts-Kapitel des Briefes, während der Kellner das Besteck, Gläser und eine Kanne Wasser brachte.
Sutela betrachtete die konzentriert lesende Taru. Am liebsten hätte er der doppelzüngigen Heuchlerin seine Meinung gesagt, aber er unterdrückte seinen Zorn. Er war gezwungen zu warten, bis er sich ganz sicher sein konnte. Allerdings wusste er schon, was er tun würde, wenn sich Taru tatsächlich als Helferin des FSB entpuppen sollte: Er würde die Frau ausnutzen, genau wie sie ihn ausgenutzt hatte. Wenn er Taru jetzt zum Teufel jagte, könnte es sein, dass derFSB brutalere Mittel einsetzte, um in Erfahrung zu bringen, was im allerletzten Hinweisbrief stand.
GESCHICHTE, Kapitel
4. Die Belagerung von Karlstein
Im Jahre 1422 griff der zum Regenten von Böhmen ernannte polnische Prinz Sigismund Korybut zur Verteidigung der Interessen des Papstes und des Heiligen Römischen Reiches die von den hussitischen Aufständischen gehaltene Stadt Karlstein in der Nähe von Prag an. Trotz seiner großen Armee und der modernen Belagerungsgeräte gelang es ihm nicht, die Verteidigung zu durchbrechen. Schließlich ließ er seine Armee alle von den Hussiten getöteten Soldaten und zweitausend Fässer Abfälle und Fäkalien in die belagerte Stadt katapultieren, um eine tödliche Epidemie auszulösen.
Im Jahre 1485 versuchten die spanischen Soldaten ihre französischen Feinde zu vergiften, indem sie ihnen Wein mit dem Blut von Leprakranken schenkten.
»Dieser Hinweis ist von allen bisher der merkwürdigste – der von Brümmer Geschlagene und die verlorene Kirche. Was bedeutet das?«, fragte Taru Otsamo und starrte Sutela unverwandt an.
»Dass die Hinweise komplizierter werden und die Fahrten länger«, erwiderte Sutela kurz angebunden und erkannte erstaunt in den Augen der Frau Angst. Er durfte die Nerven nicht verlieren, sonst ahnte Taru, dass er sie verdächtigte. Jetzt musste er diesen Hinweis genauso enthusiastisch erklären wie alle bisherigen.
»Na, nun erzähl schon.« Taru fürchtete, allzu nachdrücklich auf eine Antwort zu drängen, womöglich durchschaute Ratamo, dass sie Eerik aushorchen wollte. Aber es stand zu viel auf dem Spiel, als dass sie ihre Wissbegier zügeln konnte. Sie drückte ihre Zigarette aus und hätte am liebsten sofort eine neue angezündet.
Im selben Augenblick tauchte wie aus dem Nichts der Kellner mit drei Tellern auf. »So. Ich habe aus dem, was da war, noch zwei Mal Bauernfrühstück mit Roter Bete zusammenbekommen. Und diese Kinderportion – Lachende Würstchen mit Tomahawk-Püree.«
»Bauernfrühstück«, sagten Ratamo und Taru Otsamo wie aus einem Munde, also erhielt Sutela den Teller, auf dem von aufgeplatzten Würstchen umgeben ein riesiger, mit Ketchup verzierter Kartoffelbreihaufen lag. Nur der Name war für Kinder gedacht, die Portion wog bestimmt über anderthalb Kilo.
Zur Verblüffung der anderen kostete der sonst stets hungrige Sutela nur. Dann wischte er sich die Mundwinkel, trank einen Schluck Wasser, schaute widerwillig die erwartungsvolle Taru Otsamo an und schlüpfte in die Rolle des Professors.
»Die Worte ›Der von Brümmer Geschlagene‹ verweisen auf Karl Peter Ullrich, den Herzog von Holstein-Gottorp, der in der Zeit des sogenannten ›Kleinen Unfriedens‹ 1742 in Turku zum finnischen König gewählt wurde. Gekrönt wurde er freilich nie. Allerdings wurde aus ihm der russische Zar Peter III., nachdem seine Ehefrau, die Zarin Elisabeth, im Jahre 1762 gestorben war.«
»Wer zum Teufel ist Brümmer? Und wieso ist Peter III. der von Brümmer Geschlagene?«, fragte Otsamo, die mit lustloser Miene auf ihr Bauernfrühstück starrte.
»Als Karl Peters Vater 1739 starb, wurde der Sohn von Holsteiner Offizieren erzogen. Vor allem vom Oberhofmarschall Brümmer, der den Jungen hungern ließ und mit Schlägen bestrafte.«
»Und der zweite Teil des Hinweises – die verlorene Kirche?«, fragte Ratamo, der die Senfflasche schüttelte. Die Geschichtsvorlesungen hingen ihm langsam zum Halse heraus.
Sutela schaute Ratamo unfreundlich an und nahm einmal mehr die Hände zu Hilfe. »Die Zeit des ›Kleinen Unfriedens‹, in der Karl Peter zum finnischen König gewählt wurde, endete mit dem Frieden von Turku 1743. Mit diesem Friedensvertrag wurde die finnische Grenze verlegt und verlief nun entlang des westlichsten Flussarmes des Kymijoki. Mit dem Begriff ›verlorene
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