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Arto Ratamo 7: Der Finne

Arto Ratamo 7: Der Finne

Titel: Arto Ratamo 7: Der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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in denen sich die Verzweiflung der Menschen und ihre schmutzigen Geheimnisse allmählich am Boden absetzten und zu explosivem Hass verdichteten. Der Hass kam immer zum Ausbruch, früher oder später. Mancherorts köchelte er Dutzende Jahre unter der Oberfläche, bis es zu einer Explosion der Gewalt kam, an anderen Orten tobte er frei und offen. Zu dieser Gruppe gehörte Russland. Und er auch.
    Der Mann beobachtete eine Katze, deren Halsband verriet, dass sie zahm war. Am liebsten hätte er das Tier erschossen. Im selben Moment öffnete sich die Tür der Kirche der heiligen Xenia von Sankt Petersburg. Endlich. Ein Mann, der das Kreuz auf seiner Brust berührte, ging gemächlichüber die Aarteenetsijäntie zu der Fußgängerbrücke, die zur Metrostation führte. Der Puls der »Flunder« beschleunigte sich. Jetzt war die Zielperson allein. Gelassen ging er in Richtung Kirche, überholte eine Mutter, die einen Kinderwagen schob, und einen nach Schnaps stinkenden Mann, dessen Schoßhündchen ein Eichhörnchen anbellte, das auf einen Baum floh. Bedeutungslose Kreaturen.
    Die »Flunder« blieb vor der Glastür der Kirche stehen, warf einen schnellen Blick auf die Scheibe und ließ dann den Glasschneider der Marke Silberschnitt wie ein Chirurg kreisen. Er befestigte ein Stück Klebeband an der herausgeschnittenen Stelle, stieß aber versehentlich zu kräftig dagegen. Das runde Stück Glas fiel im Vorraum der Kirche auf den Fußboden und zersplitterte. Die »Flunder« erstarrte. Nichts war zu hören, niemand bewegte sich, die Zielperson würde wohl kaum etwas gehört haben. Er schob seine Hand durch das Loch hinein und öffnete die Tür.
     
    Otto Forsman blieb stehen, als irgendwo Glas splitterte. Angst überkam ihn: Würde er sterben, ohne zu erfahren, wie es Eerik ergangen war? Er befand sich allein in der Wohnung, Vater Dimitri hatte eben gesagt, er gehe in die Stadt, um einige Dinge zu erledigen, und Vater Peter war seit ihrem Gespräch beim Mittagessen nicht mehr aufgetaucht. Hatte der FSB ihn in dem Versteck der Kirche gefunden? Aber wie? Er verließ sich auf seine Sinne, und die trieben ihn jetzt zur Flucht. Nach dem Erblinden hatte er oft das Gefühl gehabt, dass sich der Mensch am besten fast nur auf seine Sinne verlassen sollte. Die Leute konnten sowohl mit Worten, mit ihrer Miene, ihren Gesten als auch mit Taten lügen. Der Kirche und Vater Peter vertraute er, obwohl er das Versteck des Dokuments nicht verraten wollte. Das »Schwert des Marschalls« war schon seit über sechzig Jahren seine Lebensversicherung.
    Er lauschte angestrengt: Jemand bewegte sich leise auf dem Flur, wie ein Einbrecher. Der Eindringling suchte ihn.
    Wenn ihm etwas zustieß, würde Eerik Vater Peter nicht mehr vertrauen, da war er ganz sicher, ein Vater kannte schließlich seinen Sohn. Das durfte nicht geschehen, Eerik brauchte die Hilfe der Kirche. Forsman dachte fieberhaft nach. Am Vortag war Eerik nach Vesilahti unterwegs gewesen, zum Versteck des vierten Briefes, heute war sein Sohn sicher schon auf dem Weg zum fünften Versteck. Er musste Vater Peter einen Hinweis hinterlassen, wo sich Eerik befand. Ob er noch so viel Zeit hatte?
    Forsman holte ein Universaltaschenmesser heraus, trat zwei Schritte nach links, wandte sich um und machte drei Schritte nach vorn. Er nahm den Stuhl, drehte ihn rasch um und ritzte in den Boden eine Nachricht ein, Buchstabe für Buchstabe, so schnell er konnte. Die Muskeln ermüdeten, und die Hand wurde steif – würde die Zeit reichen? Die Schritte auf dem Flur kamen näher. Er dachte daran, wie leicht er als junger, sehender Mann aus diesem Versteck hätte fliehen können. Als der Text fertig war, tastete er ihn mit den Fingerspitzen ab, um sich zu vergewissern, dass man die Worte verstehen konnte, dann stellte er den Stuhl wieder auf die Beine und setzte sich in Bewegung: Vier Schritte nach rechts, dann drei an der Wand entlang. Der Eindringling war schon deutlich zu hören. Forsman fand den Fenstergriff und öffnete den Riegel.
    Die »Flunder« zog die Tür auf und schaute prüfend in den kleinsten Kirchensaal, den er je gesehen hatte – auch in diesem Raum war niemand. Hatte der Auftraggeber ihn falsch informiert, versteckte sich der blinde alte Mann gar nicht hier? Plötzlich hörte er etwas, eine Tür war zugefallen oder eine Fensterscheibe hatte geklirrt. Er kehrte auf den Gang zurück, in dem sich nur noch eine geschlossene Tür befand. Alle anderen hatte er schon geöffnet.
    Der Killer befestigte

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