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Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst

Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst

Titel: Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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trat ich an den Rand der Grube. Was ich dort sah, war ein Durcheinander von altem, dunklem, nassem Holz, ein wirrer Haufen Zunder, teils verfault aufgrund der Feuchtigkeit, die in eine Ecke der gepflasterten Grube gesickert war, und im übrigen so alt und zerbrechlich, daß er innerhalb von Sekunden aufgeflammt und zu Asche verbrannt wäre. »Was ist das?«
    fragte ich Merlin.
    »Wie es scheint«, antwortete Merlin mir auf sächsisch,
    »haben wir am falschen Platz gesucht. Kommt mit«, sagte er wieder auf britannisch, während er meine Schulter berührte.
    »Ich habe nur unsere Zeit verschwendet.«
    »Aber nicht die unsere«, sagte Dinas rauh.
    »Ich sehe ein Rad«, erklärte Lavaine.
    Langsam wandte sich Merlin zurück. Sein Gesicht wirkte verwüstet. Er hatte versucht, Cerdic und die silurischen Zwillinge irrezuführen, und seine Täuschung war gescheitert.
    »Zwei Räder«, sagte Dinas.
    »Und eine Deichsel«, setzte Lavaine hinzu. »In drei Teile zerschnitten.«
    Wieder starrte ich auf das schmutzige Durcheinander, und wieder sah ich nichts als Holzreste. Auf einmal entdeckte ich jedoch, daß einige Teile gebogen waren, und daß man, wenn man die gebogenen Teile ineinanderfügte und sie mit den vielen kurzen Stäben verband, tatsächlich zwei Räder erhielt. Unter den Trümmern der Räder lagen einige dünne Platten und ein langer Schaft, so dick wie mein Handgelenk, aber so lang, daß er in drei Stücke zerbrochen worden war, damit er in die Grube paßte. Außerdem war ein Achsgelenk zu erkennen, mit einem Schlitz in der Mitte, in das eine lange Messerklinge paßte. Dieser Holzhaufen war das, was von einem kleinen, antiken Streitwagen übriggeblieben war, einem Wagen, wie er einst Britanniens Krieger in die Schlacht getragen hatte.
    »Modrons Streitwagen«, sagte Dinas ehrfürchtig.
    »Modron«, sagte Lavaine, »die Mutter der Götter.«
    »Deren Streitwagen«, ergänzte Dinas, »Himmel und Erde verbindet.«
    »Und Merlin will ihn nicht«, sagte Dinas verächtlich.
    »Dann werden wir eben den Streitwagen mitnehmen«, verkündete Lavaine.
    Cerdics Dolmetscher hatte nach besten Kräften versucht, dies alles seinem König verständlich zu machen, doch Cerdic ließ
    sich offensichtlich von diesem traurigen Haufen zerbrochener und faulender Holzstücke nicht beeindrucken. Dennoch befahl er seinen Speerkämpfern, die Bruchstücke einzusammeln und in einen Umhang zu packen, den Lavaine zusammenraffte. Nimue zischte ihnen einen Fluch entgegen, Lavaine aber lachte sie einfach aus. »Wollt Ihr mit uns um den Streitwagen kämpfen?« fragte er mit einer Handbewegung zu Cerdics Speerkämpfern hinüber.
    »Ihr könnt Euch nicht ewig hinter den Sachsen verstecken«, sagte ich. »Es wird die Zeit kommen, da Ihr kämpfen müßt.«
    Dinas spie in die leere Grube. »Wir sind Druiden, Derfel. Ihr könnt uns nicht einfach das Leben nehmen, ohne Eure eigene Seele und jede Seele, die Ihr liebt, zu ewigem Schrecken zu verdammen.«
    »Ich kann Euch töten!« Nimue spie sie an.
    Dinas starrte sie an und streckte ihr dann die Faust entgegen. Nimue spie auf die Faust, um das Böse darin abzuwenden, aber Dinas drehte sie nur um, öffnete sie und zeigte ihr ein Drosselei. Er warf es ihr zu. »Damit könnt Ihr Eure Augenhöhle füllen, Weib!« sagte er verächtlich, wandte sich ab und folgte seinem Bruder und Cerdic zum Tempel hinaus.
    »Es tut mir leid, Lord«, sagte ich zu Merlin, als wir allein waren.
    »Was tut dir leid, Derfel?« gab er zurück. »Glaubst du etwa, du hättest zwanzig Speerkämpfer besiegen können?« Seufzend rieb er sich den gestutzten Bart. »Siehst du, wie sich die Mächte der neuen Götter wehren? Aber solange wir den Kessel besitzen, besitzen wir die Macht. Komm mit!« Er streckte den Arm nach Nimue aus – nicht um bei ihr Trost zu finden, sondern weil er sie als Stütze brauchte. Als er mit ihr den Mittelgang entlangging, wirkte er auf einmal sehr alt und müde.
    »Was sollen wir tun, Lord?« fragte mich einer meiner Speerkämpfer.
    »Macht euch bereit, wir gehen«, gab ich zurück. Ich beobachtete Merlins gebeugten Rücken. Der Verlust seines Bartzopfes, dachte ich, ist eine größere Tragödie für ihn, als er zugeben will. Aber ich tröstete mich damit, daß er noch immer den Kessel von Clyddno Eiddyn besaß. Seine Macht war immer noch groß, aber in diesem gebeugten Rücken und den schlurfenden Schritten lag etwas unendlich Trauriges. »Wir gehen«, sagte ich abermals.
    Am folgenden Tag marschierten wir ab.

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