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Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst

Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst

Titel: Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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wir das Ende des Rituals abwarten sollten – und ich fürchtete, sie werde etwas Unbedachtes tun, was die Frauen im Tempel alarmieren und zum Schreien bringen konnte und damit die Wachen aus ihren Hütten herbeiholen würde. Mit meinen schweren, lauten Stiefeln vermochte ich mich jedoch nicht so flink zu bewegen wie Nimue auf ihren nackten Füßen, und meine heiser geflüsterte Warnung ignorierte sie. Statt dessen packte sie einen der Bronzegriffe an der Tempeltür. Einen Herzschlag lang zögerte sie, dann zog sie die Tür auf, und der rhythmische Geistergesang wurde auf einmal sehr viel lauter. Da die Angeln der Tür geölt worden waren, ließ sich die Tür lautlos öffnen. Wir standen vor einer abgrundtiefen Finsternis. Eine so vollkommene Dunkelheit hatte ich noch niemals erlebt. Sie rührte von den schweren Vorhängen, die wenige Fuß hinter der Innenseite der Tür hingen. Ich winkte meinen Männern, dort zu bleiben, wo sie waren, und folgte Nimue in den Tempel hinein. Ich wollte sie aufhalten, aber sie wehrte sich und zog statt dessen die Tempeltür in ihren geölten Angeln ins Schloß. Der Gesang war jetzt sehr laut geworden. Ich konnte nichts sehen, und hören konnte ich nur den Chor, aber der Geruch im Tempel war schwer und widerlich.
    Nimue tastete mit einer Hand nach mir und zog meinen Kopf zu sich herunter. »Böse!« hauchte sie mir ins Ohr.
    »Wir dürften nicht hier sein«, flüsterte ich.
    Sie ignorierte das, tastete nach dem Vorhang und fand ihn. Gleich darauf erkannte ich an einem winzigen Lichtstrahl, daß
    sie auch den Rand des Vorhangs gefunden hatte. Ich folgte ihr, kauerte mich nieder und blickte ihr über die Schulter. Der Schlitz war so schmal, daß ich anfangs fast gar nichts sehen konnte; doch als meine Augen zu erkennen begannen, was dahinter lag, sah ich für meinen Geschmack zu viel: Ich sah die Mysterien der Isis.
    Um die Geschehnisse jener Nacht verstehen zu können, hätte ich mich mit der Geschichte der Isis vertraut machen müssen. Später lernte ich sie kennen, in jenem Augenblick jedoch, da ich über Nimues kurzgeschorenes Haar hinwegspähte, hatte ich keine Ahnung, was das Ritual bedeutete. Ich wußte nur, daß
    Isis eine Göttin war, für viele Römer sogar eine der mächtigsten Göttinnen. Und außerdem die Herrin der Throne, und das erklärte den niedrigen schwarzen Thron, der noch immer auf dem Podium am anderen Ende des Kellers stand, wie ich genau sehen konnte, obwohl unsere Sicht durch den dichten Rauch, der wirbelnd durch den schwarzen Raum zog und sich einen Ausweg durch den Mondschacht suchte, vernebelt wurde. Der Rauch stieg von den Feuerbecken auf, deren Flammen durch Kräuter angereichert wurden, und diese verbreiteten den stechenden, zu Kopf steigenden Geruch, den wir schon vom Waldrand aus gerochen hatten.
    Den Chor, der trotz des Rauches weitersang, vermochte ich nicht zu sehen, aber ich sah die Isis-Anbeterinnen, und anfangs konnte ich nicht glauben, was ich da sah. Oder wollte es vielmehr nicht glauben.
    Ich sah acht Andächtige auf dem schwarzen Steinboden vor dem Thron knien, und alle acht waren sie nackt. Sie kehrten uns den Rücken zu, aber ich konnte dennoch sehen, daß einige der Nackten Männer waren. Kein Wunder, daß Gwenhwyvach voll Vorfreude auf diesen Augenblick gekichert hatte, denn ihr war das Geheimnis bestimmt schon bekannt gewesen. Männer, so hatte Guinevere stets betont, seien im Isistempel nicht zugelassen, aber heute nacht waren sie anwesend, und vermutlich waren sie das in jeder Nacht, in der der Vollmond sein kaltes Licht durch das Loch im Kellerdach schickte. Die flackernden Flammen der Feuerbecken warfen ihr
    gespenstisches Licht auf die Rücken der Andächtigen. Sie waren allesamt nackt. Männer und Frauen, allesamt nackt, genau wie Morgan es mir vor so vielen Jahren schon warnend erklärt hatte.
    Die Andächtigen waren nackt, die beiden Zelebranten dagegen nicht. Einer von ihnen war Lavaine. Er stand zu einer Seite des niedrigen schwarzen Throns, und meine Seele jubelte, als ich ihn sah. Es war Lavaines Schwert gewesen, das Dians Kehle durchschnitten hatte, und nun befand sich mein eigenes Schwert nur eine Kellerlänge von ihm entfernt! Hoch aufgerichtet stand er neben dem Thron; die Narbe auf seiner Wange wurde vom Schein der Feuer betont, das schwarze Haar, genauso geölt wie Lancelots, fiel ihm im Rücken bis auf das schwarze Gewand hinab. In dieser Nacht trug er nicht das weiße Druidengewand, sondern eine schlichte schwarze Robe,

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