Asche auf sein Haupt: Ein Fall für Jessica Campbell (German Edition)
Shakespeare. Unmittelbar bevor Gervase den Unfall verursachte – vielleicht einen oder anderthalb Kilometer vor der Unfallstelle – fuhr er so unberechenbar, dass Muriel, die ihren Hund ausführte, in die Hecke springen musste, um nicht überfahren zu werden. Es gibt keine Fußwege entlang unserer Landstraßen. Leider erwischte Gervase den armen Warwick. Das Tier musste eingeschläfert werden. Der Tierarzt konnte nichts mehr tun, weil es so viele Verletzungen waren und der Hund nicht mehr jung.«
»In den Akten über den ersten Unfall steht nichts von diesem Zwischenfall«, sagte Jess langsam. »Muriels Name wird nicht erwähnt. Sie wäre eine wichtige Zeugin gewesen für Crowns Fahrstil unmittelbar vor dem Unfall.«
Poppy blickte elend und kleinlaut drein. »Ich habe gehört, dass Sebastian zu Muriel ging und mit ihr redete. Hören Sie, Sie müssen mit Muriel über die Sache sprechen, nicht mit mir! Was ich Ihnen erzähle, ist alles nur Hörensagen!« Sie erhob sich, die Tüte mit den Bananen vor der Brust. »Wenn Sie nichts dagegen haben, bringe ich sie nach oben und lasse sie für Gervase da. Roger fragt sich bestimmt schon, wo ich so lange bleibe. Ich sage dem Polizisten vor der Tür, dass Sie gesagt haben, ich könnte kurz reinschauen und Hallo sagen, wenn Gervase nicht schläft.«
»Ja, tun Sie das. Und danke sehr«, sagte Jess.
Draußen vor dem Krankenhaus blieb sie für einige Minuten in ihrem Wagen sitzen und ging ihren Besuch in Gedanken durch. Sie musste berücksichtigen, dass Crown eine Kopfverletzung erlitten hatte und seine Geschichte deswegen möglicherweise nicht so konsistent erschien, wie es ansonsten der Fall gewesen wäre. Alles in allem war er überraschend klar bei Verstand gewesen. Eine Kleinigkeit nagte dennoch an ihrem Unterbewusstsein. Gervase hatte abgestritten, jemanden gehört zu haben, obwohl er aus irgendeinem Grund plötzlich bemerkt haben wollte, dass er nicht allein war in Key House am vergangenen Abend. Er hatte gerufen, wie er sagte, doch niemand hatte geantwortet. Sein Beharren auf dieser Darstellung war verdächtig. Hatte er in Wirklichkeit vielleicht eine Stimme gehört, die er zu kennen glaubte? Oder hatte er durch irgendetwas anderes den Eindruck gewonnen, zu wissen, wer außer ihm da war? Jemand, dessen Namen er Jess nicht nennen wollte.
Sie seufzte. Es war keine große Unstimmigkeit, und vielleicht bildete sie sich das alles auch nur ein. Nicht in diesem Augenblick … hatte er gesagt. Es konnte ohne Bedeutung sein, ein zufällig gewählter Ausdruck. Schließlich hatte er Roger Trenton rufen hören, oder zumindest war es das, was er gehört zu haben glaubte. Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits den Schlag auf den Kopf erhalten und musste ziemlich benommen gewesen sein. Es war unrealistisch zu erwarten, dass seine Schilderung der Ereignisse zu einhundert Prozent akkurat war.
Ein weiteres ärgerliches Detail war ans Licht gekommen als Resultat von Poppys Geschichte. Als Jess bei Muriel gewesen war, hatten sie sich lange unterhalten, und Muriel war ausgesprochen mitteilsam gewesen in Bezug auf Sebastian Crown und seine Frau Amanda. Doch sie hatte mit keinem Wort den Unfall erwähnt, bei dem ihr Hund Warwick so schwer verletzt worden war, dass er eingeschläfert werden musste. Und warum hatte sie sich nicht als Zeugin gemeldet? Weil, Poppys Worten zufolge, Sebastian Crown ihr einen Besuch abgestattet hatte. Hatte der alte Crown Muriels Schweigen erkauft?
Im Nachhinein betrachtet empfand Jess die Geschichte, die Gervase ihr erzählt hatte, bei Weitem nicht mehr so einleuchtend, wie es ihr beim ersten Anhören vorgekommen war. Muriel hatte Sebastian augenscheinlich beschuldigt, seine verschwundene Ehefrau ermordet zu haben. »Ich nahm sie gelegentlich auf den Arm, indem ich ihr erzählte, ich wüsste, wo er die Leiche begraben hat«, hatte Gervase gesagt. Das war die buchstäbliche Bedeutung seiner Worte. Die übertragene war die eines peinlichen oder skandalösen Geheimnisses, an dem man Anteil hatte. Beispielsweise dem Wissen, dass Muriel Sebastians Geld angenommen hatte, trotz ihrer Feindseligkeit gegenüber den männlichen Crowns. Wie es jetzt aussah, war auch Muriel nicht so offen zu Jess gewesen, wie Jess im Verlauf ihres Besuchs bei der alten Junggesellin geglaubt hatte.
Und ich finde die fehlenden Puzzlesteinchen nicht , dachte Jess, solange ich nicht hingehe und noch einmal mit Muriel Pickering rede.
Sie nahm ihr Mobiltelefon hervor und wählte die Nummer von
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