Asche auf sein Haupt: Ein Fall für Jessica Campbell (German Edition)
Ian Carter. »Ich habe Crown besucht. Es geht ihm den Umständen entsprechend gut. Sie behalten ihn noch ein wenig länger zur Observation da, und danach besteht Serena Foscott darauf, dass er nach seiner Entlassung bei ihr und ihrem Mann einzieht. Es gibt ein paar Diskrepanzen und Auslassungen, sowohl in Gervase’ Bericht als auch in dem, was Muriel Pickering mir erzählt hat. Ich fahre jetzt rüber nach Mullions. Muriel geht nicht mehr viel nach draußen, und ich bin ziemlich sicher, dass ich sie dort antreffe. Ich denke, das alles hat etwas mit dem früheren Unfall zu tun, für den Gervase verantwortlich war. Nicht der, bei dem Petra Stapleton verletzt wurde, sondern der davor. Bei diesem Unfall wurde Muriels damaliger Hund so schwer verletzt, dass er eingeschläfert werden musste. Es besteht die Wahrscheinlichkeit, dass Sebastian Crown damals ihr Schweigen erkauft hat.«
»Machen Sie das, Jess«, sagte Carters Stimme an ihrem Ohr. »Ich komme nach Weston St. Ambrose und geselle mich zu Ihnen.«
Kapitel 19
Jess bog in die Long Lane ein und lenkte den Wagen an den Straßenrand. Mullions ragte hinter seinem Maschendrahtzaun auf wie das Filmset eines Spukschlosses. Das einzige Lebenszeichen war eine dünne Rauchfahne, die aus dem Schornstein stieg. Ansonsten bemerkte sie keinerlei Hinweise auf menschliches Leben oder menschliche Aktivitäten.
Sie stieg aus, während sie sich fragte, ob Muriel das Schlagen der Wagentür hören würde. Jess öffnete das selbstgebaute Tor, schlüpfte hindurch und schloss es hinter sich sorgfältig wieder, genau wie es die Aufschrift auf dem selbstgemalten Schild verlangte. Im Innern des Hauses hörte sie Hamlet bellen, doch keine Muriel erschien. Jess betätigte die rostige Türglocke, und als sie kein Läuten im Innern des Hauses hören konnte, klopfte sie sicherheitshalber fest an die Tür. Hamlets Bellen wurde lauter und wütender. Er musste inzwischen im Flur hinter der Tür sein.
Jess riskierte es, die Briefklappe zu öffnen und durch den Schlitz zu rufen. »Miss Pickering? Muriel? Sind Sie da? Ich bin es, Jess Campbell!«
Zur Antwort sprang Hamlet drinnen im Flur hoch und warf sich knurrend auf das, was er von dem unverschämten Eindringling durch den Briefkastenschlitz erkennen konnte. Seine Zähne schnappten keinen Zentimeter von Jess’ Nase entfernt zu. Jess zuckte erschrocken zurück und ließ die Briefkastenklappe zufallen. Hamlet, des Anblicks seiner Beute beraubt, warf sich wie rasend gegen das Türblatt. Die Tür erzitterte unter der Wucht seiner Attacken. Seine Klauen scharrten über das Holz.
Muriel war offensichtlich nicht da, überlegte Jess. Doch sie ging nur höchst selten und eigentlich nie ohne ihren Hund aus dem Haus. Hatte sie den Wagen genommen? Jess umrundete das Haus, um in der Garage nachzusehen. Hamlet verfolgte sie im Innern des Hauses durch die einzelnen Zimmer. Sein Gesicht erschien an einem Fenster, wutverzerrt bellend wie ein alter Gutsherr, der ihr befahl, von seinem Land zu verschwinden.
Wütendes Gebell folgte ihr bis zur Garage, wo der Wagen unbenutzt herumstand. Muriel konnte nicht weit gekommen sein. Beim letzten Mal, als Jess hier gewesen war, hatte Muriel in der Küche Futter für ihre Hühner gekocht. Von dem Gestank war nichts mehr zu riechen. Jess näherte sich den Küchenfenstern. Sie waren nicht beschlagen, und nichts bewegte sich dahinter. Sie zögerte, das Gesicht dicht davor zu bringen, um hineinzusehen, weil Hamlet ganz hysterisch war. Wenn ihr Gesicht mit nichts als der Scheibe dazwischen vor dem seinen erschien, traf ihn vielleicht noch der Schlag.
Allmählich machte sich Jess Sorgen. Wie lange war Hamlet bereits allein? War Muriel irgendwo auf dem Grundstück gestürzt? Lag sie draußen auf dem feuchten Boden, außerstande aufzustehen und sich selbst zu helfen? Falls ja, war der wahrscheinlichste Bereich der Garten mit seinen verwilderten Büschen und dem hohen Unkraut, den achtlos liegen gelassenen Werkzeugen und dem Maschendraht. Jess beschloss nachzusehen. Die Hennen waren im hinteren Teil und pickten im Boden nach Nahrung. Der Hahn startete einen Angriff in Richtung Jess’ Gesicht. Sie klatschte in die Hände und schrie, und der Vogel zog sich ein Stück weit zurück bis zu einer alten Regentonne, wo er flügelflatternd sitzen blieb und sie finster musterte. Mit dem Hahn im Garten und Hamlet im Haus brauchte Muriel sicher keine Alarmanlage gegen Diebe und Einbrecher, dachte Jess ironisch.
Muriel war nicht im Garten.
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