Asche auf sein Haupt: Ein Fall für Jessica Campbell (German Edition)
Aber ich weiß wirklich nichts Genaues«, sagte Poppy bestimmt.
Hier wird getratscht , dachte Jess, allerdings nur bis zu einem gewissen Punkt .
»Was passierte mit Gervase Crown, als er älter wurde? Er soll eine ziemlich wilde Phase gehabt haben.«
Poppy sah zunehmend unglücklich aus, fuchtelte nervös mit dem Besen und machte kleine Kehrbewegungen.
Die Frage hat sie aus der Fassung gebracht , dachte Jess. Sie wartete.
»Ich denke nicht, dass Sebastian Verständnis für seinen Sohn aufgebracht hat«, antwortete Poppy schließlich. »Gervase fühlte sich wahrscheinlich von seinem Vater ignoriert, und seine Mutter … nun ja. Sie hat ihn im Stich gelassen. Und davor, als Gervase noch ein kleiner Junge war, haben beide Eltern ihn in ein Internat abgeschoben, wo er die ganze Zeit verbringen musste. Ich glaube nicht, dass Sebastian sich bewusst war, wie einsam sich sein Kind fühlen musste. Er wird Freunde in der Schule gehabt haben, sicher, doch zu Hause war er einsam und isoliert. Während der Schulferien wanderte er wie eine kleine verlorene Seele durch das Haus und die Gegend.
Einmal habe ich versucht, mit Sebastian über das Thema zu reden. Er hat mich überhaupt nicht zu Wort kommen lassen und meinte nur, es ginge mich nichts an. Ich glaube nicht, dass Sebastian auch nur ein einziges Mal echtes Interesse zeigte für das, was sein Sohn zu sagen hatte. Sebastian war ein Geschäftsmann. Er kannte sich aus mit Gewinn und Verlust. Vielleicht litt er auch immer noch darunter, dass Amanda ihn verlassen hatte. Wie er die Sache sah, hatte er seinen Teil zur Erziehung des Kindes beigetragen. Wie dem auch sei, man kann es Gervase nicht verdenken, dass er als Jugendlicher ein … ein wenig über die Stränge geschlagen ist. Es war schließlich niemand da, der ihn gebremst hätte …«
Ihre Stimme war traurig geworden. Sie riss sich zusammen und blickte Jess an. »Ich bin Ihnen keine große Hilfe, fürchte ich.« Sie zögerte. »Obwohl, da war eine merkwürdige Sache …«
»Ja?«, ermunterte Jess sie.
»Nein, nein, es ist nichts!« Offensichtlich bedauerte Poppy ihre vorschnelle Bemerkung.
»Wenn es nichts ist, werde ich es nicht berücksichtigen«, erwiderte Jess freundlich. »Aber ich würde es gerne hören.«
Poppy machte ihrem Namen alle Ehre und lief rot an wie Klatschmohn. »Es war eine furchtbar dumme Sache, etwa zwei Wochen vor dem Feuer. Es ist wirklich nicht interessant für Sie. Es ist nur so, dass ich dachte, ich hätte Gervase gesehen.«
»Sie dachten, Sie hätten ihn gesehen? Hier?« Was auch immer Jess erwartet hatte, das sicherlich nicht.
»Ja. Um genau zu sein, bei Key House. Ich hatte einen Spaziergang gemacht. Es war schon recht spät an jenem Tag, und ich hatte mich entschlossen, umzukehren. Es wurde bereits dunkel. Die Straße ist wenig befahren, was Autofahrer dazu einlädt, zu rasen wie auf einer Rennpiste. Als ich an Key House vorbeikam, sah ich ein Licht im Garten. Ich war neugierig. Ich wusste ja, dass das Haus leer stand und sich keiner dort herumtreiben sollte. Andererseits wollte ich auch nicht plötzlich ganz allein einer Horde von betrunkenen Halbstarken gegenüberstehen! Roger hat dort schon mal solche Leute gesehen. Er hat es diesem Sergeant Morton erzählt, der gestern hier war. Wie dem auch sei, es war merkwürdig, und ich hatte das Gefühl, ich sollte nachschauen. Also schlich ich mich vorsichtig heran und lugte über die Mauer. In dem Moment kam ein junger Mann um die Ecke. Er hielt eine Taschenlampe – es war inzwischen richtig dunkel geworden. Er ließ den Lichtkegel über die Außenwand des Hauses tanzen, dann hielt er inne und leuchtete in ein Fenster hinein, als suchte er etwas im Zimmer dahinter. Ich war total beunruhigt und überlegte, ob ich von meinem Handy aus die Polizei anrufen sollte. Genau in diesem Moment drehte er sich um. Die Taschenlampe in seiner Hand zuckte, und der Lichtstrahl fiel kurz auf sein Gesicht. Es war ein Schock. Ich dachte, es wäre Gervase! Er war anscheinend zu Besuch in England und informierte sich über den Zustand seines Elternhauses. Mir war klar, dass er dort nicht wohnen konnte, weil der Strom abgestellt war und es im Haus kein einziges Möbel mehr gab.«
»Haben Sie seinen Namen gerufen?«
Poppy zögerte. »Ich wollte. Es wäre nett gewesen, ihm mal kurz Hallo zu sagen. Doch dann schaltete der Mann die Taschenlampe aus. Er drehte sich um und entfernte sich mit großen Schritten durch den Garten und das Haupttor. In dem Augenblick
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