Asche auf sein Haupt: Ein Fall für Jessica Campbell (German Edition)
Es war ein Wunder, dass keiner der Insassen ernsthaft verletzt oder gar getötet wurde. Die Sanitäter vor Ort versorgten ein paar der Beteiligten und einen Passanten, allesamt mit Schnittwunden oder Prellungen. Eine Person kam mit einem Schleudertrauma ins Krankenhaus. Der junge Crown musste sich noch vor Ort einem Atemalkoholtest unterziehen, und das Ergebnis lag deutlich über der erlaubten Grenze. Der zweite Unfall hatte schlimme Folgen. Crowns Beifahrerin erlitt eine Verletzung an der Wirbelsäule. Sie sitzt für den Rest ihres Lebens im Rollstuhl. Sie bekam später in einem Zivilprozess eine ordentliche Summe an Schadensersatz und Schmerzensgeld zugesprochen. Der junge Crown wurde zu einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt und kam nach sechs Monaten wieder frei.« Sie zögerte. »Dr. Layton sagte mir, Gervase wäre in jungen Jahren in ein paar Schwierigkeiten geraten. Jetzt verstehe ich, warum er nicht deutlicher werden wollte.«
»›Ein paar Schwierigkeiten‹ hört sich nach der Untertreibung der Woche an!«, knurrte Carter. »Es überrascht mich nicht, dass sein Vater die Nase von ihm voll hatte. Vermutlich war es der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Ich frage mich, ob Gervase Crown nach dem Abschluss der Schule freiwillig in die Welt hinausgezogen ist, oder ob sein Vater ihn weggeschickt hat. Wie dem auch sei, sein Vater muss außer sich gewesen sein, als Gervase schließlich wieder auftauchte und anfing, Autos zu Schrott zu fahren und sich Gefängnisstrafen einzuhandeln.«
»Trotzdem unternahm er nichts, um das beträchtliche Erbe zu kürzen«, bemerkte Jess.
»Was denn, sollte er vielleicht seinen einzigen Nachkommen enterben? Man nimmt einiges an Ärger in Kauf, bevor man auch nur daran denkt, sein Geld jemandem außerhalb der Familie zu vermachen. Ich habe Foscott übrigens darauf angesprochen, doch er meinte, Sebastian Crown wäre nicht die Sorte Mann gewesen, die ihr Vermögen einem Tierheim hinterlässt. Was ein wenig eigenartig ist angesichts der Tatsache, dass er sein Vermögen mit Pflegeprodukten für Hunde gemacht hat. Wie dem auch sei, er wird nicht besonders glücklich gewesen sein mit der Situation.«
Carter fuhr langsam davon. Er war sich der Tatsache bewusst, dass der Anwalt ihm hinter der Jalousie verborgen unauffällig hinterhersah. Nach ein paar Hundert Metern bog er auf den Parkplatz eines Supermarktes ein, wo er im Auto sitzend seine Unterhaltung mit Reginald Foscott überdachte. Um ihn herum schoben gestresste Hausfrauen voll beladene Einkaufswagen, manche zusätzlich mit einem Baby in einem Kindersitz über dem Drahtkorb mit Seife und Cornflakes und Waschmittel. Mehr als ein Einkaufswagen hatte klemmende Räder und fuhr überallhin, nur nicht dahin, wo er sollte. Einige der Babys protestierten überdies lauthals und mit vor Wut geröteten Gesichtern gegen die Einkaufstour. Er konnte es ihnen nicht verdenken. Arme kleine Racker.
So fängt es immer an , dachte er. Du bist ein Teenager, hast deinen Spaß, wirfst die ersten Blicke auf das andere Geschlecht. Dann triffst du diesen ganz besonderen Menschen. Es folgen Abendessen bei Kerzenschein und Hochzeitsglocken, und die nächsten Stufen sind Elternschaft, Familienleben … Und dann war irgendetwas schiefgelaufen, und alles war den Bach runtergegangen und hatte vor einem Scheidungsgericht geendet. Ich bin irgendwie von der Spur abgekommen , dachte er. Nicht Sophie, sondern ich .
Gervase Crown war ein jugendlicher Rabauke gewesen, war zu schnell gefahren und hatte Autos geschrottet, und dabei war ein Mädchen schwer verletzt worden. In wenigen Jahren würde Millie ein Teenager sein, auf Partys gehen und junge Kerle kennenlernen, die mehr Geld als Verstand besaßen. Er hoffte inständig, dass Millie genug Verstand besaß, um nicht mit einem von ihnen ins Auto zu steigen. Doch war das nicht der Albtraum eines jeden Vaters? Seiner war es mit Sicherheit.
Carter vermutete, dass Gervase Crown irgendwann geruhen würde, in seine Heimat zurückzukehren – schon um zu sehen, was mit dem Elternhaus passiert war, das er aufgegeben hatte. Zumindest hatte er das in seiner E-Mail an den Anwalt erklärt. Wie verlässlich Crown in Bezug auf seine geäußerten Absichten war, mussten sie allerdings erst noch herausfinden. Carter war Crown noch nie begegnet, trotzdem entwickelte er bereits jetzt eine Abneigung gegen den Mann, und das durfte nicht sein. Bleib unvoreingenommen! , sagte er sich, während er den Zündschlüssel drehte.
Weitere Kostenlose Bücher