Asche auf sein Haupt: Ein Fall für Jessica Campbell (German Edition)
ausgebrannten Türen suchen.
Gegenwärtig war das zerstörte Haus eins mit der verwelkenden Natur ringsum. Für einen kurzen Moment sah Jess vor ihrem geistigen Auge, wie das Haus unter einem Wust aus Ranken und Dornen verschwand wie ein Dornröschenschloss. Die Stimme des Doktors riss sie aus ihren Tagträumen.
»Junkies«, bemerkte er lakonisch. Sein Name war Layton, und er war ein großer, gebeugter Mann im fortgeschrittenen Alter, womöglich kurz vor dem Ruhestand. Sein grüner Tweed-Anzug war hochwertig gearbeitet, doch altmodisch geschnitten und hing ihm in einer Art und Weise am Leib, die vermuten ließ, dass er früher deutlich korpulenter gewesen war. Während er zu sprechen ansetzte, versuchte er ohne großen Erfolg eine Rußflocke von seinem Ärmel zu wischen. Als er feststellte, dass er aus der Flocke einen schwarzen verschmierten Fleck gemacht hatte, grunzte er frustriert. »Sie glauben ja nicht, wie oft sie sich bis zur Bewusstlosigkeit zudröhnen, und dann passiert so was. Das heißt, Sie natürlich schon, Inspector! Ich wage zu behaupten, dass Sie so etwas kennen.«
Layton bedachte sie mit einem entschuldigenden Nicken. Sein graues Haar, welches er ein wenig zu lang trug, geriet noch mehr in Unordnung.
Obwohl die Nebenstraße einsam gelegen war, waren sie nicht die einzigen Zuschauer. Es würde Jess stets ein Rätsel bleiben, wie die meisten Neugierigen es immer wieder schafften, rechtzeitig aufzutauchen, um einen Unfall oder dessen Folgen zu beobachten, sogar in einer Gegend wie dieser hier. Wahrscheinlich war das Publikum deshalb diesmal nicht besonders zahlreich. Ein groß gewachsener, hagerer älterer Mann in einer Öljacke mit einem schütteren grauen Haarkranz, der gleich einem Heiligenschein seinen ansonsten kahlen Schädel umrahmte. Wo um alles in der Welt war er bloß hergekommen? Ein Stück weiter entfernt standen zwei jüngere Männer mit wettergegerbter, gebräunter Haut und beobachteten das Treiben diskret aus sicherer Entfernung. Jess nahm an, dass es sich um Pavee handelte, fahrendes Volk. Vermutlich überlegten sie, ob es sich lohnte, zu einem späteren Zeitpunkt zurückzukehren, wenn alle anderen fort waren, und nachzusehen, ob sie irgendetwas an Metall ergattern konnten.
Ganz in Jess’ Nähe stand eine ältere Dame mit einer Brille und einer über die Ohren gezogenen Wollmütze. Sie trug eine hellgelbe Wachsjacke und dazu passende Hosen – vermutlich, damit sie gut zu erkennen war, wenn sie ihren Hund auf den Straßen ausführte, da neben den Straßen keine Fußwege angelegt waren. Was den Hund anging, so machte er einen missmutigen Eindruck. Sein Auslauf war unterbrochen worden. Er hatte keinerlei Interesse an dem Feuer. Er war ein Boxermischling mit stämmigem Körperbau und krummen Vorderbeinen, doch größer als für die Rasse üblich, was auf die Beimischung einer anderen Rasse unter seinen Ahnen hindeutete. Er besaß die üblichen zerknautschten Gesichtszüge, und Jess überlegte, dass seine vorstehenden Augen wohl ständig diesen leicht missmutigen Blick hatten. Vielleicht aber war es auch nur ein Beispiel dafür, dass Hundebesitzer ihren Tieren ähnelten. Die Hundebesitzerin jedenfalls blickte derart grimmig drein, als wäre das Feuer ein persönlicher Angriff auf ihre eigene Person gewesen.
Layton hob erneut an. »Sie werden vermutlich feststellen, dass der Typ sich irgendwas geschossen hat und weggetreten ist. Dann ist eine Kerze umgefallen, und das Feuer nahm seinen Lauf. Das Haus war nicht mehr an das Stromnetz angeschlossen, soviel ich weiß. Das Gas war ebenfalls abgestellt. Das Haus stand seit dem Tod von Sebastian Crown leer. Vermutlich gehört das Anwesen noch seinem Sohn, doch der war noch nie hier. Eine Schande, wirklich, schließlich war es ein hübsches altes Haus.
Hey! Wahrscheinlich liegen überall Nadeln in der Asche. Seien Sie vorsichtig!«, rief er unvermittelt, indem er sich abwandte. Sein Rat galt den in der Nähe stehenden Brandermittlern und den mit Ruß beschmutzen und nach Rauch stinkenden Feuerwehrleuten, die noch immer mit Löscharbeiten beschäftigt waren. Sie würden noch einige Male im Verlauf der nächsten Tage zurückkommen und diese Arbeit wiederholen. Auch wenn ein Feuer gelöscht zu sein schien, konnte es jederzeit ohne Vorwarnung an einem heißen Punkt zu einem erneuten Brand kommen, wie Jess wusste.
»Diese verdammten Nadeln gehen mühelos durch die Stiefelsohle«, rief der am nächsten stehende Feuerwehrmann. Alle nickten.
Die
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