Asche auf sein Haupt: Ein Fall für Jessica Campbell (German Edition)
unterhaltsamsten und aufregendsten Stunden, soweit er sich zurückerinnern konnte. Die Feuerwehrmänner waren zum Leben erweckte Helden aus den Computerspielen, die Alfies liebste Freizeitbeschäftigung darstellten. In Uniform und Schutzhelm brüllten sie sich Befehle und Warnrufe zu, während sie Schläuche hielten und dicke Wasserstrahlen über das Feuer schwenkten. Als die brennenden Überreste des ersten Stocks in das Erdgeschoss krachten und die Luft sich mit einem Schauer goldener Funken füllte, presste Alfie die Hände vor den Mund, um seine Begeisterung nicht laut herauszubrüllen. Das Wasser prasselte auf das darunterliegende Gebälk, und das Holz krachte und knisterte und spie Funken gleich wilden, in die Enge getriebenen Bestien. Mit lautem Zischen platschte es auf die heißen Steine, und dichte Dampfschwaden stiegen in die Luft, um sich mit dem Rauch zu vermischen. Alfies Mund stand offen vor Staunen. Glühende Asche schoss raketengleich über die Straße. Es roch wie am Martinsfeuer. Alfie beobachtete alles hingerissen, völlig ungeachtet seines beengten Verstecks und der unbehaglichen Position, in der seine verbogenen Gliedmaßen sich befanden.
Dann war der erste Streifenwagen eingetroffen, mit zwei uniformierten Beamten, und hatte Alfies Spaß ein Ende bereitet. Mit dem Erscheinen des Gesetzes auf der Bildfläche war es Zeit für ihn zu gehen. Er war kein Unbekannter bei der örtlichen Polizei, und er meinte einen der Polizisten zu kennen. Der Bulle würde ihn erkennen, sobald er ihn bemerkte, und bevor er sich’s versah, würden sie Alfie der Brandstiftung bezichtigen. So waren die Bullen nach Alfies Erfahrung. Sie griffen sich das erste bekannte Gesicht und dichteten seinem Träger an, was immer gerade nötig war. Nein, er würde am nächsten Tag wiederkommen, um nach seinen Fallen zu sehen. Er kroch aus seinem Versteck, streckte die steif gewordenen Glieder und machte sich querfeldein auf den Weg nach Hause. Was für eine Geschichte er zu erzählen hatte!
Hätte er noch ein wenig länger gewartet, so lange, bis man die Leiche fand, seine Geschichte wäre noch viel dramatischer gewesen.
K APITEL 2
Ian Carter dachte an ein altes Zitat. »Auch der beste Schlachtplan übersteht selten den ersten Schuss.« Hätte er heute gelebt, der schottische Schriftsteller hätte beim Verfassen seiner Zeilen vermutlich Carter vor Augen gehabt.
Er saß mit einem Becher Löskaffee in der Hand in seinem einzigen Lehnsessel und spürte, wie ihn ein Moment der Einkehr überkam. Es war noch früh und gerade hell genug, um schon ohne elektrisches Licht sehen zu können. Im Haus war alles still – es war die Zeit des Tages, in der die Dinge ihn nicht überrollten, während er krampfhaft versuchte mitzuhalten. Er hatte Gelegenheit zum Nachdenken.
Er schlürfte seinen Kaffee, der heiß, bitter und geschmacklos war, alles zugleich, und sann über sein bisheriges Leben nach. Um von vorne anzufangen, der wirklich große Plan, sein Leben an Sophies Seite zu verbringen und mit ihr zusammen in Frieden alt zu werden, war grandios gescheitert. Arm in Arm mitzuerleben, wie ihre Tochter erwachsen wurde und zu einer selbstbewussten, anmutigen und charmanten jungen Frau heranwuchs, die Sorte Frau, als die er auch Sophie empfunden hatte, als zu Beginn ihrer Beziehung noch alles gut gewesen war, daraus war nichts geworden.
Der Plan hatte sich in dem Moment in Luft aufgelöst, als Sophie Rodney Marsham kennengelernt hatte. Rodney! Ausgerechnet! Carter fragte sich nicht zum ersten Mal, wie seine damalige Frau derart von einem Kerl angetan sein konnte, der so farblos, teigig und absolut geistlos war wie Marsham und dessen permanent joviales Auftreten Carter ungemein irritierend fand. Einem Kerl, dessen berufliche Interessen, wenngleich profitabel, einen zweifelhaften Eindruck bei Carter hinterließen, um nicht zu sagen zwielichtig.
»Das ist der Polizist in dir, Ian«, hatte Sophies Antwort gelautet, als er diesen letzten Einwand vorgebracht hatte, zum Zeitpunkt ihrer Trennung. »Für dich ist einfach jeder verdächtig!«
Um fair zu sein, sie hatte ihm diesen Vorwurf im Verlauf ihrer Ehe häufiger gemacht, nicht nur am Ende ihrer Beziehung. Vermutlich lag sie damit sogar richtig. Er war Sophie kein guter Ehemann gewesen. Irgendwann hatten sich die Dinge zwischen ihnen falsch entwickelt, lange bevor Rodney auf der Bildfläche erschienen war mit seinem ewigen Lächeln, offensichtlich zufrieden mit sich und der Welt. Wer hing schon an
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