Asche auf sein Haupt: Ein Fall für Jessica Campbell (German Edition)
Wir hatten nichts mit ihm zu tun, seit damals nicht, der Zeit des Unfalls und danach, bis hin zu dem Augenblick, als er gestern das Atelier meiner Schwester betreten hat.«
Sie hielt inne. »Was die Umbaugenehmigung betrifft, falls er je eine beantragt hat … Man hat ihm mit Sicherheit gesagt, dass er die Vorschriften einzuhalten hat in Bezug auf Änderungen, die er eventuell vornehmen lassen wollte. Selbst das Cottage meiner Schwester hier …« Kit machte eine umfassende Geste mit der Hand. »Wir mussten genaue Pläne vorlegen für den Umbau – und das, obwohl es früher ein Stall war! Oft sind die Behörden mehr um das äußere Erscheinungsbild eines Hauses bemüht. Sie wollen den Stil erhalten. Bei Key House war hingegen die historische Innenausstattung entscheidend. Die ganzen Treppen und Holzvertäfelungen waren original und sollten erhalten bleiben. Ich gebe zu, es war düster, jede Menge dunkles Holz … Ich selber hätte nicht dort leben wollen. Aber Generationen haben das getan. Es gab sogar eine Legende über einen Geist, der dort sein Unwesen trieb. Ein Kind, das zu den Besuchern ans Bett kam und ihnen die Bettdecke wegzog. Ich kenne allerdings niemanden, der den Geist gesehen hat.« Kit lächelte unerwartet, und ihr Gesicht leuchtete auf. Mit einem Mal war sie eine attraktive Frau, auch wenn sie unter Stress stand.
»Was passiert mit einem Geist, wenn das Gebäude, in dem er haust, nicht mehr existiert?«, fragte Petra gedankenverloren.
»Ich könnte mir vorstellen, dass er ziemlich frustriert sein muss«, antwortete Kit. Sie wandte sich zu Jess um. »Amanda – das war Gervase’ Mutter – hat ihr Bestes gegeben, als sie noch dort lebte. Wir waren zu der Zeit zwar noch Kinder, aber ich erinnere mich an eine Menge weißer Ledermöbel und Tischlampen überall. Die Böden waren aus poliertem Parkett. Vermutlich lagen die ursprünglichen Steinfliesen darunter, und die Crowns hatten Parkett darüber legen lassen. Sie gehörten zu dieser Sorte von Leuten«, ergänzte sie unwirsch. »Sie wissen schon, erwerben ein historisches Anwesen wegen der vornehmen Wirkung und basteln an der Inneneinrichtung herum, weil sie ›altmodisch‹ ist. Amanda hätte wahrscheinlich lieber ein Heim wie in Homes and Garden gehabt.«
»Ich nehme an, die alten Steinfliesen waren kalt«, sagte Petra, und Kit blickte gnädigerweise drein, als bedauerte sie ihre letzte abfällige Bemerkung.
Sie fasste sich jedoch schnell. »Wie dem auch sei, es liegt schon eine gewisse Ironie in der ganzen Geschichte. Das Parkett ist beim Brand sicher vernichtet worden, und die alten Steinfliesen haben überlebt.«
»Das Parkett hat tatsächlich gebrannt«, sagte Jess leise. »Wir haben überlegt, ob der Brandstifter das vielleicht gewusst hat. Ob er Key House kannte.«
Die beiden Schwestern blickten bestürzt drein.
»Ihre Schwester meint, es wäre düster gewesen«, richtete Jess sich nun an Petra. »Wie haben Sie das Haus in Erinnerung?«
»Die getäfelte Eingangshalle war tatsächlich recht dunkel. Den Rest habe ich nicht als düster in Erinnerung. Wie Kit bereits sagte, es sah ein wenig aus wie ein Foto aus einer Zeitschrift. Doch man hätte nichts anderes erwartet. Amanda war schließlich selbst eine sehr elegante Erscheinung. Als Kind dachte ich immer, dass sie aussah wie ein Filmstar«, sagte Petra ein wenig wehmutsvoll.
»Wirklich? Mir kam sie immer vor wie ein Freak mit all der Kriegsbemalung und diesen idiotischen Stöckelschuhen.« Kits Einschätzung war etwas kerniger.
»Wissen Sie vielleicht, warum sie ihren Mann verlassen hat?«
»Weil sie ihn nicht mehr ausgehalten hat, schätze ich«, erwiderte Kit. »Ich konnte ihn auch nicht ertragen.«
»Aber sie hat ihr Kind zurückgelassen«, führte Jess an.
Die Schwestern blickten sich an. Kit antwortete für beide. »Gervase hat uns allen leidgetan damals, als er noch ein kleiner Junge war. Doch das entschuldigt nicht, was aus ihm geworden ist.«
»Auch wir waren schließlich Kinder«, ergänzte Petra. »Wir wussten nicht, warum seine Mutter fortgegangen war. Das gehörte zu den Dingen, über die in unserer Gegenwart nicht gesprochen wurde.«
Jess erkannte, dass sie auf diese Weise nicht weiterkommen würde. Eine Tür hatte sich geschlossen, genau wie zuvor, als es um die Frage des Verkaufs beziehungsweise Nichtverkaufs von Key House gegangen war. Beide Male hatte Petra Stapleton die Tür geschlossen. Kit hielt nicht mit ihrer Meinung hinterm Berg, doch Petra hatte das ebenso
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