Asche und Schwert
denen zwei für ihre Aufgabe als Träger nicht ganz geeignet schienen â ein Knabe, der zu jung, und ein Mann, der zu alt aussah. Varro ertappte sich dabei, wie er den führenden Träger anstarrte; er kam ihm auf verwirrende Weise vertraut vor. Der alte Mann nickte, als erkenne auch er ihn wieder.
»Charon«, flüsterte Varro.
Timarchides saà neben Verres in der Sänfte und starrte regungslos nach vorn.
»Das ist mein Abschied«, sagte Verres vergnügt. »Ich breche auf nach Sizilien. Ihr habt Euch gut geschlagen, Cicero. Genauso gut wie in unserem nächtlichen Streitgespräch. Der Sieg gebührt Euch, doch der Gewinn ist überaus bescheiden.«
»So lautet Euer Spiel, nicht wahr, Verres?«, knurrte Batiatus. » Jeder ist Euer Sklave. Ihr reiÃt Landgüter an Euch. Ihr plündert Provinzen. Ihr sucht die Jagd. Und dann verbrennt Ihr die Brücken hinter Euch. Ihr werft die Leiter um, auf der Ihr aufgestiegen seid.«
»Ihr werdet nicht bis in alle Ewigkeit Statthalter von Sizilien sein, Verres«, sagte Cicero. »Ich werde Zeuge Eures Falls werden.«
»Und ich bei dem Euren«, sagte Verres. Das Lächeln saà ihm wie eine Maske im Gesicht. »Wenn die Zeit kommt, Cicero, werdet Ihr wie ein verschrecktes Wild fliehen.«
»Ich hoffe sehr, in hohem Alter im Bett zu sterben.«
»Wir leben in schwierigen Zeiten, und Feinde scharen sich um Euch wie Fliegen um Honig«, sagte Verres spitz.
»Das ist der Preis, wenn man die Wahrheit sucht, fürchte ich«, sagte Cicero. »Aber ich verstehe nichts vom Leben eines Kriegers. Wenn mich ein Mann mit einem Schwert in der Hand verfolgt, werde ich sicher versuchen, ihm zu entkommen. Das ist keine Feigheit, sondern ein Gebot der Vernunft.«
»Aber was ist, wenn er Euch erwischt, Cicero? Was dann?«
» Noch eine Debatte?«, murmelte Batiatus. » Noch ein Streitgespräch, obwohl er uns schon genug geschadet hat? Haltet ein, Cicero, dafür gibt es jetzt keinen Grund mehr.«
»Wenn mich Euer hypothetischer Verfolger mit seinem hypothetischen Schwert in die Enge treibt«, sagte Cicero gerade, »und ich theoretisch nirgendwohin mehr fliehen kann?«
»Ja, genau dann«, sagte Verres und nickte.
»Dann werde ich das umsetzen, was ich von den Gladiatoren gelernt habe. Ich werde meinen Nacken hinhalten und wie ein Römer sterben, ohne mich vor dem Leben nach dem Tod zu fürchten.«
Verres lachte und forderte seine Träger mit einer Geste auf weiterzugehen. Seine Sänfte fädelte sich zwischen den Menschen hindurch und war schon kurz darauf nicht mehr zu sehen.
»Dominus!«, rief eine Stimme. » Dominus !« Doch weil die MarktstraÃe voller römischer Patrizier war, achtete niemand darauf.
Wieder bot Batiatus Cicero seinen Weinschlauch an, aber auch jetzt lehnte der Quästor, in Gedanken versunken, ab.
» Batiatus! «, rief die Stimme und errang damit endlich die Aufmerksamkeit des richtigen Herrn.
Schwer atmend trat Spartacus vor den lanista ; Medea war an seinen linken Arm gekettet.
»Was für eine Komödie ist denn das?«, fragte Batiatus. »Sind deine Ohren verstopft, oder warum hast du sonst aufgehört, Pelorusâ Haus zu bewachen?«
»Ich habe Euren Willen befolgt, dominus «, keuchte Spartacus. »Doch als ich das tat, habe ich bedeutende Neuigkeiten erfahren.«
Cicero sah auf.
»Noch bedeutender als die Tatsache, dass ein Sklave seinen Posten verlassen hat und an eine Mörderin gekettet durch die StraÃen rennt?«, fragte er. »Meine Ohren sind gespitzt. Diese Neuigkeit würde ich mir gerne anhören.«
»Die sicarii letzte Nacht«, sagte Spartacus, »waren Männer aus dem Hause Pelorus.«
»Woher willst du das wissen?«, fragte Batiatus.
»Sie trugen sein Brandzeichen.«
»Aber sie sind doch alle tot.«
»Nicht alle.«
» Sie waren die Bestatter«, sagte Varro plötzlich.
»Halt den Mund, Varro«, schnauzte Batiatus seinen Gladiator an. »Erklär uns das, Spartacus. Wie kann es sein, dass Männer von Pelorus noch am Leben sind? Ich habe sie doch selbst in der Arena sterben sehen.«
»Nur einige davon«, sagte Spartacus. »In Pelorusâ Haus gibt es zahlreiche Zellen. Waren in jener entscheidenden Nacht tatsächlich nur so wenige Gladiatoren darin? Denn es waren nur wenige, die in der Arena starben.«
»Sie haben
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