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Asche und Schwert

Asche und Schwert

Titel: Asche und Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. M. Clements
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Entfernung verringerte, umso röter erschienen die Segel. Schon bald hatten sie die Farbe nasser Terrakotta oder gepeitschter Haut, während sie noch immer die volle Kraft des Südwestwinds einfingen. Die Sklavenmeister im Hafen beobachteten das näher kommende Schiff mit halbem Auge. Es war nicht nötig, die Schlepper so früh schon zu Wasser zu lassen und einem Schiff entgegenzurudern, das noch immer unter vollen Segeln auf den Hafen zuhielt. Sie warteten vielmehr, bis sie mehrere kleine Punkte entdeckten, die wie eifrige Käfer die Masten hinaufkletterten und die Segel einholten.
    Trotz der schaukelnden Wellen behielten die noch fernen Seeleute ihre erhöhte Position bei und rollten die großen Segel ein. Die Beobachter im Hafenwachturm konnten zwar nicht erkennen, dass das Schiff abrupt stehen blieb, doch jetzt verharrte es mehr oder weniger an Ort und Stelle auf den sanft rollenden Wellen, ohne größer oder kleiner zu werden.
    Nun waren die Rufe von den Besatzungen der Schlepper zu hören – drei schmale Boote, in denen dicht an dicht muskulöse Ruderer saßen, die sich gegen die Wellen stemmten und auf das wartende Schiff zuglitten. Völlig durchnässt von Gischt und Dunst überwanden die Ruderer rasch die Entfernung zwischen dem Hafen und dem neu eingetroffenen Schiff.
    Die Seeleute an Bord des Neuankömmlings warfen den Besatzungen der Schlepper kräftige Seile zu, die sogleich um die breiten Heckpfosten der kleinen Boote gewickelt wurden. Dann setzten sich die Ruderer in Richtung Hafen in Bewegung, wobei sie das Schiff hinter sich herzogen, das jetzt nicht mehr von den unberechenbaren Winden auf hoher See abhängig war. Ihre Arbeit wurde ein wenig erleichtert, weil das Schiff mit der Flut eingetroffen war; sie passierten die steinernen Flanken der vorgelagerten Wellenbrecher Neapels und glitten in den ruhigeren inneren Hafen.
    Er stand gedankenverloren im Bug, während die Hafenmauer langsam näher kam. Seine Augen waren offen, doch irgendwie nahm er die Gruppe der Togen tragenden Männer überhaupt nicht wahr, obwohl sich der leuchtend weiße Stoff von den Hanfkleidern der Dockarbeiter deutlich abhob. Einer der Würdenträger winkte ihm zu, doch er reagierte nicht darauf, nicht einmal mit einem Lächeln oder sonst einer Veränderung seiner Miene. Es war, als glaube er nicht, dass die Aufmerksamkeit der Gruppe ihm galt.
    Er stieg nicht als Erster aus. Diese Ehre gebührte mehreren Seeleuten, die sich an Seilen auf die Kaimauer schwangen oder über den Landungssteg eilten, um dessen Sicherheit und Bequemlichkeit zu überprüfen. Doch er war der erste Passagier, der die Steine des Hafens betrat: ein großer Mann Ende dreißig, dessen Haar bereits dünner wurde und sich immer weiter aus seiner Stirn zurückzog. Im Augenblick hatte er die Lippen grimmig und stoisch zusammengepresst.
    Er war wohlgenährt, aber nicht dick, wenn man von seinen leicht hängenden Wangen absah. Die Spitze seiner großen, auffälligen Nase wies eine leichte Einkerbung auf, die der einer Kichererbse glich. Er trug eine einfache Tunika, die für eine Seereise besser geeignet war als die umständliche Toga. Seinen linken Arm jedoch hatte er aus reiner Gewohnheit leicht ausgestreckt und angewinkelt, als läge eine Stoffbahn darauf. Ganz offensichtlich handelte es sich bei ihm um einen h öheren Beamten im Dienst der Republik, der es gewohnt war, auf dem Forum zu sprechen. Ein junger Sklave folgte ihm in respektvoller Entfernung.
    Der Neuankömmling warf dem Empfangskomitee am Kai einen misstrauischen Blick zu, wandte sich dann ab und machte sich auf den Weg in Richtung Stadtmitte. Eigentlich nahm er die Existenz der Gruppe erst dann wirklich wahr, als ihm ein Mann direkt in den Weg trat und ihn mit einer halb ehrenden, halb beschwörenden Geste begrüßte.
    Â»Marcus Tullius Cicero«, sagte der Mann. »Eure Anwesenheit hier in Neapel ist eine Ehre für uns.«
    Â»Das ist ein ungewöhnlicher Empfang«, erwiderte Cicero. »Wenn Ihr darauf wartet, Neuigkeiten aus Rom zu erfahren, muss ich euch leider enttäuschen.« Er hielt inne, als müsse er über etwas nachdenken, und starrte vor sich hin, als versuche er, sich an etwas zu erinnern.
    Â»Gaius Verres, Herr«, stellte sich sein Gegenüber vor. »Ich bin unterwegs nach Sizilien, um dort als Statthalter zu dienen.«
    Â»Verres, natürlich! Ich hoffe,

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