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Aschenputtels letzter Tanz

Aschenputtels letzter Tanz

Titel: Aschenputtels letzter Tanz
Autoren: Kathleen Weise
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Cafeteria.«
    »Okay, dann lass uns da hingehen, ich will dich so schnell wie möglich nach Hause bringen. Schaffst du das, Harper?«
    »Ich bin nicht überfallen worden, Mutsch«, wende ich ein, woraufhin sie nur »Mhm« brummt und mich erneut kritisch mustert.
    Ich drehe mich zu Billy um. »Ich …«
    »Schon gut.« Er lächelt. »Du musst mich nicht siezen, sag ruhig Billy.«
    »Danke, dass du ihr geholfen hast«, sagt Mutsch förmlich, bevor sie noch einmal nickt und mich eilig aus dem Zimmer und den Gang entlangschiebt, als wolle sie möglichst viel Abstand zwischen uns und Billy bringen.
    »Du warst ganz schön unhöflich«, flüstere ich, damit er uns nicht aus Versehen hört, aber sie erwidert nur trocken: »Er verträgt’s.«
    »Hast du was gegen ihn?«
    Sie zieht die Augenbrauen zusammen. »Du hältst dich besser von ihm fern.«
    »Ist er irgendwie gefährlich?«
    »Na, er ist jetzt kein Psychopath oder so.« Sie wirft mir einen kurzen, entschuldigenden Blick zu. »Aber hast du etwa den Eindruck gewonnen, dass wir uns besonders gut verstehen?«
    »Nein«, gebe ich ehrlich zu, und Mutsch hebt die Hand, als wolle sie sagen: Na siehst du .
    »Du wirst mir wahrscheinlich nicht verraten, warum du ihn nicht leiden kannst, oder?«
    »Nein.«
    »Aber gefährlich ist er nicht?«
    »Nein.«
    »Ich dachte immer, wir erzählen uns alles?«, bohre ich nach. »Ist das nicht der Deal? Du weißt schon, von wegen, wir gegen den Rest der Welt, Mutter und Tochter, blabla …«
    »Das gilt selbstverständlich nicht für Dinge, die viel zu kompliziert sind, um sie in zwei Sätzen zusammenzufassen.«
    »Mit anderen Worten, du willst nicht darüber reden.«
    »Ganz genau.« Sie reckt das Kinn in die Höhe.
    »Dir ist schon klar, dass diese Geheimnistuerei total blöd ist und außerdem nur dafür sorgt, dass ich noch neugieriger werde.«
    »Glaub mir, es gibt da wirklich überhaupt nichts, was deine Neugierde lohnen würde.«
    »Manchmal frage ich mich, wer von uns beiden die Erwachsene ist.« Ich schüttle den Kopf und lächelnd legt sie den Arm um mich.
    »Zweifellos du, Darling«, ist ihre Antwort. »Du hast deine Pubertät längst hinter dir gelassen und bist gleich zu einem anstrengenden Erwachsenen geworden.«
    »Danke, Mutsch.«
    »Gern geschehen.« Sie grinst und schiebt die Tür zur Cafeteria auf, hinter der sich ein weiter lichtdurchfluteter Saal eröffnet, in dem es nach Kantinenessen riecht.
    Ein Mann winkt uns an seinen Tisch, der in der Nähe der Essensausgabe steht. Ich habe nicht die geringste Ahnung, woher der Polizist weiß, wer wir sind, aber offenbar kennt er mein Gesicht. Vor ihm liegen ein Block und ein Handy in einer pinkfarbenen Schutzhülle.
    »Das ist von meiner Tochter, meines ist kaputt«, sagt er, als er meinen Blick bemerkt. Er ist ein Mann mittleren Alters, dessen Bauchansatz sein kariertes Hemd bereitsbeachtlich spannt. Das hält ihn aber nicht davon ab, eine chemiegrüne Götterspeise mit Dosenmandarinen in sich hineinzulöffeln, während er sich meine Antworten notiert.
    Meinen Namen lässt er sich buchstabieren, aber da ist er nicht der Erste. Die meisten Leute wissen eben nicht, dass es der Name einer amerikanischen Autorin ist. Sie halten mich für einen türkischen Jungen, wenn sie den Namen auf dem Papier sehen. Schon viermal hat man mich deswegen im Ferienlager in den falschen Schlafraum gepackt. Großmutter ist er selbstverständlich auch ein Dorn im Auge.
    Sie hat nie verstanden, dass Mutsch in Wirklichkeit in ihre Bücher verliebt ist. Mit den technischen Übersetzungen verdient sie nur Geld, aber überall in unserer Wohnung liegen die Bücher ausländischer Autoren – die meisten davon sogar schon tot und genauso angestaubt wie ihre Werke. Mutsch liebt sie trotzdem, auch wenn sie Dostojewskis Brüder Karamasow als Unterlage für den Brotkasten benutzt. Vermutlich habe ich noch Glück gehabt, denn sie liebt auch Truman Capote und sein Frühstück bei Tiffany , aber ich sehe weder wie ein Truman aus noch fühle ich mich wie eine Tiffany.
    Vor allem jetzt nicht, wo mich dieser Polizist mit seinem Blick zu durchbohren versucht und dabei seine Götterspeise löffelt. Er erzählt uns, dass Billy gerade mit einem anderen Beamten ins Moor fährt, um über den Fundort zu reden. Ich bin froh, dass niemand von mirverlangt hat, mitzukommen, denn ich glaube nicht, dass ich das jetzt könnte.
    Der Mann will ganz genau von mir wissen, was ich gesehen habe. Davor, danach, währenddessen – und
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