Aschenputtels letzter Tanz
und zum Glück fragt Mutsch nicht, was wir mit dem Laptop wollen, als ich darauf deute. Sie ist viel zu sehr damit beschäftigt, mit ihrer Freundin aus dem Ort über Mutschs Abschlussjahr in der Schule zu diskutieren. Was sie aus irgendeinem Grund total aufregt, denn sie winkt uns einfach weiter. Also schnappe ich ihn mir einfach vom Küchentisch, und wir verziehen uns nach oben.
Im Schlafzimmer setze ich mich auf die Dielen vor dem Bett und balanciere den Laptop auf meinem Schoß, während Tobi sich neben den Käfig hockt.
»Du kannst sie rausnehmen, wenn du willst«, sage ich zu ihm, als ich den Laptop aufklappe und einschalte.
Vorsichtig hebt er Tennessee aus dem Käfig, der nervös mit den Beinchen zappelt, doch als er erst mal feststellt, dass Tobi ihn nur streicheln und nicht fressen will, beruhigt er sich wieder und schnüffelt neugierig an seiner Hand. Tobi setzt sich mit der Ratte neben mich, die daraufhin ihre Schnauze hebt und misstrauisch das Computergehäuse beschnuppert.
Während sich der Rechner hochfährt, versuche ich, den Wirbelsturm der Gefühle in mir zu ordnen, aber es gelingt mir nicht, denn ich bin immer noch wütend auf mich, weil ich von Elsas Kampf nichts gemerkt habe. Ein bisschen bin ich auch wütend auf Elsa, weil sie mich in diese Situation bringt, in der ich gleichzeitig Mitleid mit ihr habe und sie am liebsten schütteln möchte. Warum hat sie mir nicht deutlicher gesagt, was Sache ist?
Hat sie gedacht, es würde uns nicht kümmern? Oder wollte sie nicht, dass Mutsch mit Tante Luise streitet, weil es danach noch schlimmer geworden wäre? Diese Fragen liegen mir wie Steine im Bauch, und ich beiße mir vor Zorn in die Unterlippe, bis ich Blut schmecken kann.
Im Netz gibt es eine ganze Reihe Bilder von diesem Treffen beim Bürgermeister im Herbst des letzten Jahres.Offenbar ist es für Mahnburg wirklich eine Riesensache. Das Mahnburger Tageblatt und zwei überregionale Zeitungen haben darüber geschrieben und die Artikel auch online gestellt. Wir stoßen auf ein Foto, auf dem Elsa dem Bürgermeister die Hand schüttelt, und im Artikel ist die Rede von drei Jugendlichen, denen die Ehre an diesem Tag zuteil wird .
Im Tageblatt ist ein Foto abgebildet, auf dem alle drei Teilnehmer zu sehen sind. Darauf ist noch die alte Elsa zu sehen, mit ihrem langen Feenhaar und einem weichen, fallenden Kleid. Auf ihrer rechten Seite steht Nina, die sich halb hinter ihr versteckt, als hätte sie noch nie im Fokus einer Kamera gestanden. Ihr Gesicht ist wie Eis erstarrt.
Auf Elsas linker Seite steht ein Junge mit blondem Haar und Judogürtel in der Hand.
»Den kenn ich doch«, entfährt es Tobi entsetzt. »Das ist David.«
»Der vom Scherbenberg?« Ich beuge mich vor, um das Bild besser erkennen zu können. »Bist du sicher?«
Er nickt.
Wenn ich mich daran erinnere, dass wir mit ihm gesprochen haben … dass David uns gegenübergestanden hat und wie ich bei unserem Treffen auf dem Scherbenberg noch gedacht habe, dass er irgendeine Art von Sport machen muss, weil er relativ kräftig ist – und zur selben Zeit lauerte diese beißende Verzweiflung in ihm, die in jeder seiner Zeilen im Forum zu lesen ist.
In dem Artikel werden die drei Jugendlichen kurz vorgestellt, bei Davids Eintrag findet sich auch ein Foto seines Vaters, der ebenfalls als junger Mann Judo gemacht hat. Allerdings längst nicht so erfolgreich wie sein Sohn.
David ist Jugendmeister im Judo, das ist sein Talent.
»Wir müssen mit ihm reden!«, stellt Tobi fest. »Vielleicht fällt ihm ein, wer der Täter sein könnte, ich bin mir sicher, dass sie ihn alle kennen …«
»Wir müssen erst herausfinden, wo er wohnt.«
Grimmig nickt er und zieht dann sein Handy aus der Hosentasche. Er telefoniert sich so lange durch den Kreis seiner Kumpel, bis er einen erwischt, der auch David kennt und ihm die Adresse sagen kann.
»Nur ein paar Straßen von hier«, sagt er zu mir, nachdem er das Gespräch beendet hat.
Für einen Moment lang überlege ich, Mutsch alles zu erzählen, aber das kommt mir nicht richtig vor, denn ich habe Elsas Vertrauen schon einmal missbraucht, in dem ich ihre Einträge im Forum gelesen habe. Bevor wir nicht alle Details der Geschichte kennen, will ich sie noch nicht preisgeben. Jetzt geht es vor allem darum, David vor dem Monster zu schützen. Seufzend setze ich Tennessee wieder zurück in den Käfig, bevor wir uns auf den Weg machen.
Der Wohnblock, auf den Tobi zusteuert, liegt in der Tat nur ein paar
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