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Aschenputtels letzter Tanz

Aschenputtels letzter Tanz

Titel: Aschenputtels letzter Tanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Weise
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nicht immerzu ihre Blicke auf mir spüren müsste. Jetzt ist es genau so, wie ich es wollte. Die Leute vermeiden es, mich anzusehen, weil sie nicht wissen, was sie sagen sollen.«
    »Wie kann es sein, dass ich nie etwas gemerkt habe …« Ihre Aussage erschüttert ihn, das kann ich sehen, er zittert am ganzen Leib und Schweiß steht ihm auf der Stirn. »Du hättest etwas sagen müssen, Nina!« Er packt sie an den Armen, und einen Moment lang lässt sie es zu, bevor sie ihre Hände auf seine Schultern legt und ihn von sich schiebt.
    »Das habe ich, du hast es nur nicht verstanden.«
    »Haben deine Eltern nie versucht, dich auch zum Modeln zu bringen?«, frage ich ihn.
    »Nein, der erste Agent, bei dem wir waren, hat gesagt, Jungs sind schwerer zu vermitteln und sie verdienen auch nicht so viel. Also haben sie sich ganz auf Nina konzentriert.« Erschüttert sieht er sie wieder an, und man muss kein Gedankenleser sein, um zu wissen, was ihm gerade durch den Kopf geht.
    Sie seufzt leise. »Es ist nicht deine Schuld, Tobi.«
    »Aber du hast recht, ich hätte etwas merken müssen.«Sein Blick wird beinahe flehentlich, doch ich habe selbst an meiner Blindheit zu tragen, ich kann ihm seine nicht erklären.
    Ich habe mir immer eingebildet, mein Instinkt würde wunderbar funktionieren, aber er scheint sich genauso blenden zu lassen, wie es Augen manchmal tun.
    »Ich kann mich nicht erinnern, dass du dich mit Ma und Pa deswegen gestritten hast«, sagt er zu Nina. »Manchmal warst du müde, aber du hast dich nie richtig beschwert.«
    »Du hast doch mitgekriegt, wie sie immer darauf gedrängt haben, dass wir das Geld brauchen …«
    »Hast du etwa gedacht, du musst das Geld verdienen?«
    Sie schaut ihn nur an, aber dieser Blick spricht Bände. Ich würde ihm gern etwas Tröstendes sagen, stattdessen mustere ich Elsa. Tante Luise hat bei jedem Familientreffen behauptet, dass Elsa ehrgeizig ist und dass wir uns keine Sorgen um sie machen müssen, ganz gleich, wie sehr sie sich wieder mal während des Trainings aufgerieben hatte.
    Irgendwann haben wir das wohl auch geglaubt.
    Sie lächelt mich auf eine seltsame Art an. »Weißt du, früher hab ich nie Zeit gehabt, Bücher zu lesen, jetzt kann ich gar nicht damit aufhören. Es macht Spaß.«
    »Ich hab immer gedacht, dass das Ballett deine Leidenschaft ist«, flüstere ich.
    »Das haben alle gedacht.«
    »Es tut mir leid.«
    »Was denn?« Sie neigt den Kopf zur Seite.
    Dass ich wie alle anderen gedacht habe, nur weil du lächelst, macht es dir auch Spaß.
    Aber heraus kommt nur: »Ich weiß nicht genau.«
    »Hast du wirklich geglaubt, es macht mir Spaß, wenn ich nie essen kann, was ich will? Ist dir nie aufgefallen, dass ich kaum Freunde habe? Das liegt daran, dass ich nie Zeit für welche hatte. Es gab keinen Tag, an dem mir nicht irgendwas wehtat. Aber alles, was ich gehört habe, war immer nur: Wenn du es bis nach ganz oben schaffen willst, dann musst du eben auch Opfer bringen.« Sie kneift die Augen zusammen. »Dabei wollte ich ja gar nicht an die Spitze.«
    Auf einmal scheint sie mir unberechenbar, als wäre da plötzlich eine Elsa zum Vorschein gekommen, die bisher unentdeckt in ihrem Körper geschlummert hat und nun erwacht ist.
    »Du hättest etwas sagen müssen«, wiederhole ich das, was schon Tobi gesagt hat.
    »Denkst du denn, das habe ich nicht? Du hast doch keine Ahnung, wie es hier zugeht, wenn du nicht da bist. Pa sieht mich mit seinen großen traurigen Augen an, so nach dem Motto: Tu deiner Mutter doch den Gefallen. Er mag es nicht, wenn wir uns streiten, aber weil sie nicht nachgibt, muss ich es tun. Und meine Mutter findet für alles einen Grund, um es durchzuziehen. Die Ballettschule in Lausanne hat sie mir damit verkauft, dassich rauskomme und Erfahrungen sammle. Das ist für ein Mädchen in meinem Alter ja auch wichtig, was? Das Problem ist nur, dass ich diese Art von Erfahrung nie wollte. Also hab ich gesagt, ich mach es nicht.«
    »Was ist passiert?«
    »Sie hat eine Woche lang nicht mit mir geredet. Von Sonntagabend neunzehn Uhr bis Montag früh halb acht. Ich hab auf die Uhr geschaut.«
    Das kann ich nicht glauben. Ich kenne Tante Luise doch schon mein Leben lang, ich weiß, dass sie streng ist und nicht besonders offen, aber …
    »Das Schlimme daran ist, dass sie nicht mal merkt, was sie mir damit antut«, fährt Elsa fort. »Sie glaubt immer noch, dass das alles zu meinem Besten war. Damit ich später im Leben mal eine Chance habe. Als ob ich Mahnburg

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