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Aschenputtels letzter Tanz

Aschenputtels letzter Tanz

Titel: Aschenputtels letzter Tanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Weise
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Nicht mal er hat das verdient.
    In dem Moment höre ich wieder meinen Namen, diesmal ist es jedoch Billy, der auf uns zurennt. Ich rufe ihm eine Warnung zu, weil die Schollen um uns herum gefährlich in Bewegung geraten sind. Vorsichtiger und langsamer geht er weiter. Mit einem Blick hat er die Situation erfasst und nimmt meine linke Hand fest in seine, während ich mich zu David beuge und ihm die rechte reiche. Der Schlamm an seiner Hand ist kalt, seine Zähne klappern und er hat schon blaue Lippen. Sein Blick ist durchdringend und kurz überlege ich erneut, ihn einfach loszulassen.
    Aber das tue ich nicht. Und Billy zieht uns beide Stück für Stück auf festeren Untergrund. Hinter uns höre ich weitere Rufe und über Billys Schulter kann ich Tobi mit einigen Beamten der Polizei sehen, die auf uns zulaufen. Ihre Taschenlampen und Strahler machen das Moor taghell. Auch zwei Sanitäter mit Decken sind dabei, die eilig über das Gras springen.
    Schwer atmend hocken David und ich am Rand deseingebrochenen Moorlochs und ich starre David an, der fürchterlich zittert. Ich möchte ihm so viel sagen, aber es kommt mir nichts über die Lippen außer: »Du hättest das nicht tun sollen.«
    »Es hat ja sonst niemand was getan.« Sein Kopf hängt nach unten, und ich habe den Verdacht, dass er weint. »Ich konnte es einfach nicht mehr aushalten, ohne dieses Talent würde niemand mehr etwas von mir wollen.«
    Ein Sanitäter legt mir eine Wärmedecke über die Schultern, dabei bin ich gar nicht ins Wasser gefallen. Billy hockt sich neben uns und flüstert mir zu: »Was ist hier los?«
    »David war es.« Ich muss nicht mehr sagen, Billy scheint auch so zu begreifen, denn seine Augen weiten sich entsetzt und sein Blick umfängt David, der auch nicht den Kopf hebt, als ich die Wahrheit ausspreche. Billys Gesichtsausdruck schwankt zwischen Verwirrung und Wut und spiegelt genau das wider, was auch in mir durcheinanderwirbelt.
    »Ich wollte dir nichts tun«, flüstert David.
    Doch, das wollte er, vielleicht will er es jetzt nicht mehr, aber vorhin hat er es ernst gemeint, das habe ich in seinen Augen gesehen. Vielleicht kennt er das Monster in seinem Innern schlechter, als er glaubt.
    »Wir müssen deine Mutter informieren«, sagt Billy zu mir. »Sie ist völlig ausgeflippt, als die Polizei vor meiner Türe stand. Ich konnte sie kaum davon abhalten, mit ins Moor zu kommen.«
    Erschöpft grinse ich ihn an. »Ich frage mich, was sie um diese Uhrzeit bei dir gemacht hat?«
    Ein schwaches Lächeln antwortet mir, aber sofort wird er wieder ernst. »Wir müssen auch bei dir anrufen, David, tut mir leid. Das alles …«
    »Für die bin ich sowieso eine einzige Enttäuschung.«
    Auf einmal fliegt etwas an uns vorbei, und bevor wir es verhindern können, schlägt Tobi David mitten ins Gesicht. Dann steht er schwer atmend über ihm, die Fäuste geballt, den flammenden Hexerblick auf David gerichtet, der sich die blutende Nase hält, aber schweigt. Ich habe das Gefühl, dass er sich tief in sich zurückgezogen hat.
    Einer der Sanitäter reicht ihm ein Taschentuch, obwohl er unmöglich verstehen kann, was hier vorgeht.
    Langsam erhebe ich mich, einer der näher getretenen Polizisten stützt mich, und dann falle ich Tobi um den Hals und halte ihn, so fest ich kann. Das Zittern seines Körpers überträgt sich auf mich, aber auch seine Wärme. Seine Umarmung wird enger, bis er mir fast die Rippen bricht, aber ich beschwere mich nicht.

Epilog
    E ine Woche, nachdem die Schule wieder begonnen hat, kommt Billy Mutsch und mich in unserem echten Zuhause besuchen. Er hat sich das Haar etwas kürzen lassen, allerdings trägt er einen Dreitagebart. Mutsch lässt ihn sogar in die Wohnung und bietet ihm vom Nudelauflauf an, den sie gerade aus dem Ofen genommen hat. Sie tut immer noch so, als wäre er irgendwie zufällig in der Gegend gewesen.
    Am Anfang ist es ein bisschen eigenartig, zu dritt am Essenstisch zu sitzen, was aber mehr an den Ereignissen der vergangenen Wochen liegt als an Billys Anwesenheit.
    »Wie geht es Elsa?«, fragt er Mutsch beim Nachtisch, einer grünen Götterspeise mit Dosenmandarinen, die mich das Gesicht verziehen lässt. »Deine Mutter hält sich äußerst bedeckt, wenn ich ihr am Gartenzaun begegne.«
    »Du meinst, wenn du wieder mal eins deiner Schafe abholst.«
    Er grinst und schiebt sich einen weiteren Löffel Chemiegrütze in den Mund.
    »Was sollen wir dir erzählen, es ist nicht einfach«, sagt sie. »Luise versteht die Welt

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