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Ashby House

Ashby House

Titel: Ashby House Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V Ludewig
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Treppengeländer vibrierte unter den Schlägen.
    Steerpike ging direkt hinter ihr. Bevor sie sich gegen die Deckenplatte stemmte, die das erste Geschoss vom zweiten trennte, machte er einen letzten Versuch: »Miss Shalott, bitte! Wir begeben uns in Gefahr.«
    »Mister Steerpike, wenn ich es richtig sehe, sind wir bereits in Gefahr. Und wir können nicht einfach die Augen verschließen und so tun, als sei nichts. Vielleicht funktioniert Ihre Alte Welt so. Bei uns geht man anders damit um!«
    Sie stemmte sich gegen die Deckenplatte und wuchtete sie mit einem Stöhnen nach oben. Eine Sturmböe traf sie eiskaltim Gesicht und riss ihr die Platte aus der Hand. Sie musste die Augen zu Schlitzen verengen, so beißend schlugen ihr Wind und Kälte entgegen. Ein Sturm tobte und heulte im zweiten Stock und brachte die Haare und Kleider der beiden zum Tanzen, während sie sich mit ausgestreckten Armen balancierend im Ballsaal bewegten, der Boden unter ihren Füßen zitterte. Das Knurren des Hundes, im Lärm des unerklärlichen Sturmes (alle Fenster waren geschlossen) kaum mehr hörbar, hielt an. Zielstrebig, aber enervierend langsam schlug der mutierte Weimaraner eine Richtung ein und führte die zweite Expedition in den zweiten Stockwerk an.
    Steerpike und Laura wechselten einen erleichterten Blick, als sie feststellten, dass er sich nicht auf den Dunklen Raum zubewegte, sondern in die entgegengesetzte Richtung. Sie betraten den Korridor, von dem die Türen zu den Dienstbotenquartieren abgingen. Der Sturm schien jetzt noch intensiver zu werden. Er brandete ihnen entgegen und raubte ihnen fast den Atem. Sie zogen sich an der Wand entlang, um überhaupt vorwärtszukommen. Die Tür zum Schulzimmer war krachend aufgestoßen worden und hing ächzend in den Angeln. Laura wagte einen vorsichtigen Blick hinein: Papierseiten wirbelten durch die Luft und tanzten wie epileptische Gespenster, der Globus war vom Lehrerpult gerissen worden und an der acht Meter entfernten, gegenüberliegenden Wand zerschellt.
    »Es kann nur hinter der verschlossenen Tür sein.« Steerpikes Haare hatten sich gelöst und flatterten wie Flammen um sein schmales Gesicht. Sein Gesichtsausdruck war leer, resigniert. »Das Turmzimmer.«
    Laura war an Ashby House noch nie ein Turm aufgefallen. Aber angesichts der Tatsache, dass allein der Dunkle Raum um ein Mehrfaches größer zu sein schien als die gesamteWohnfläche der darunter befindlichen Stockwerke, würde es sie nicht überraschen, wenn es einen von außen nicht sichtbaren Turm beherbergte. »O mein Gott, Steerpike! Schauen Sie!«
    Die schmale Kastentür, hinter der sich das mysteriöse Turmzimmer verbarg und die noch am Vortag von innen verschlossen gewesen war, stand offen. Doch wegen der Dunkelheit und der Wirbel von Staub war nicht zu erkennen, was sich im Zimmer verbarg.
    »Vorsicht!« Steerpike riss Laura am Arm zur Seite und brachte sie gerade noch aus der Flugbahn eines Tintenfasses, das ihr bei dieser Geschwindigkeit den Schädel eingeschlagen hätte. Mit einem lauten Klirren zerbarst das Fass in tausend Splitter und sprenkelte dunkelbraune Tropfen an die Wand.
    »Auf den Boden!« Selbst der Hund hörte auf sein Kommando. Sie robbten weiter, die Augen mit den Händen schützend, bis sie fast an der Schwelle angelangt waren.
    Der Anblick, der sich ihnen bot, war atemberaubend. Der Fußboden im Turmzimmer, die Wände   – alles schien unter einem enormen Druck zu vibrieren, als werfe sich eine übermenschliche Kraft immer wieder dagegen. Holz knirschte, und Steerpike warf sich über Laura, als sich aus den Dielen am Fußboden, wie von einem starken Magneten angezogen, eine Reihe kleiner Nägel löste, kurz in der Luft verharrte, dann wie ein Splittergeschoss auf sie zuraste und ein Stück Haut seiner Schläfe mitriss, bevor es am Boden des Korridors niederprasselte.
    Ein Stöhnen ging durch Ashby House, und für Laura blieb die Zeit stehen. Ein grauer Schal, der wie im Zentrum eines Wirbelsturms in der Luft gestanden hatte, waberte, schien sich zu krümmen, mit einem Peitschenknall aufzubäumen und   –
    In diesem Augenblick trat eine grausame Stille ein, die Zeit gefror, und alle Partikel hielten in ihrem Tanz inne, bis mit einem letzten lärmenden Schlag die Tür vor Laura und Steerpike zuschlug, unter der Wucht die Farbe absplitterte und auf die drei kauernden Gestalten herabrieselte.
    Als sie schon glaubten, das Phänomen sei vorüber, stieg weit in der Ferne ein Klagelaut auf, wurde zum

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