Assassini
reagierten. Und was Wunder, daß die Herren Ordensgeistlichen von großer Besorgnis erfüllt waren, ob sie dieser offenen Herausforderung juristisch standzuhalten vermochten.
»Weißt du, Ben, die gütige alte Dame aus Oyster Bay hat zwei ihrer Söhne in die Obhut unseres Ordens gegeben. Ist es da verwunderlich, wenn sie nun Wert darauf legt, daß wir Jesuiten mit einem Großteil der Erbmasse bedacht werden? Was aus ihrem Testament klar hervorgeht, wie ich in aller Deutlichkeit hinzufügen möchte. Beim Heiligen Vater, es ist ja nicht so, daß die drei anderen Sprößlinge … Sind sie dir schon einmal begegnet, Ben? Gottes grausamstes Gesicht, kann ich dir sagen. Der Herr muß sie in einer schwarzen Stunde erschaffen haben. Sie werden doch reichlich bedacht! Sie bekommen ein paar Millionen pro Kopf. Diese geldgierigen kleinen Bastarde.«
Ich hatte Vinnie lediglich fünfmal in meinem Leben in Priestertracht gesehen. Heute trug er eine Harris-Tweedjacke, ein gestreiftes Hemd und Fliege. Er blickte mich an, in der Hoffnung, in seiner Meinung bestärkt zu werden.
»Die Erben werden in Kürze eine Menge Beweismittel erbringen, daß die gütige alte Dame eine verrückte alte Dame gewesen ist«, gab ich ihm zu verstehen. »Sie hing seit zwanzig Jahren an der Flasche. Aus meiner Sicht ist das eine sehr überzeugende Argumentation der Gegenseite. Und sie hat ihren Letzten Willen sowohl unter jesuitischem als auch unter Alkoholeinfluß verfaßt. Ein offensichtlich vollkommen sinnloser, lächerlicher Letzter Wille. Jesuiten haben rund um die Uhr an ihrem Sterbebett gewacht. Und so weiter, und so weiter.«
»Und was gedenkst du als unser Anwalt zu tun?« Vinnie stammte aus einer schwerreichen Familie, und darum hatte Geld – entgegen der landläufigen Meinung, was Ordensgeistliche betrifft – einen sehr hohen Stellenwert in seiner Weltordnung. Verglichen mit dem Driskill-Geld in Princeton und New York nahm sich das Halloran-Geld in Pittsburgh zwar recht bescheiden aus, aber es reichte allemal, um gewisse Gewohnheiten anzunehmen, die nur sehr schwer wieder abzulegen sind, auch für einen Diener Gottes.
»Ist das wirklich der Platz, den die Kirche dir zugewiesen hat, Vincent? Über den äußerst zweifelhaften Letzten Willen trunksüchtiger alter Damen zu wachen?«
»Komm mir nicht auf die moralisch-ethische Tour, Ben«, sagte er kühl. »Die Welt da draußen ist bestimmt vom Kampf alles gegen allem.«
»Aller gegen alle«, korrigierte ich ihn.
»Die Kirche unterscheidet sich nicht gravierend von anderen großen Organisationen. Das weißt du. Die Kirche und die Jesuiten, beide müssen auf sich selbst achtgeben, weil niemand anderer es für sie tut. Das ist so sicher wie das Jüngste Gericht. Ich trage meinen Teil dazu bei, indem ich hier und da überzähliges Kleingeld zusammentrage. Die Kirche muß sich nehmen …«
»Vinnie, Vinnie, ich bin’s, Ben. Die Kirche hat sich seit den Tagen Konstantins genommen, was sie wollte. Sie ist wie eine Hure – immer auf der Suche nach Freiern. Und wenn sie einen ausgenommen hat, steht sie am nächsten Morgen wieder an der Straßenecke.«
»Himmel und Hölle, Junge, du bist offenbar der Antichrist, von dem wir alle so viel gehört haben. Was für ein Freudentag für mich … Trotzdem, aus dir könnte immer noch der perfekte Jesuit werden, würdest du nicht so eifrig für deine lächerliche kleine Version der allumfassenden Wahrheit kämpfen. Du hast nie gelernt, deinen Teil zu sagen und dann den Mund zu halten. Noch schlimmer, du hast nie begriffen, um was es der Kirche wirklich geht. Du hast es nie geschafft, das niedliche kleine Lämmchen des Idealismus zu zwingen, sich neben den grimmigen Löwen der Realität zu legen und schön artig zu sein. Und nur darum geht es der Kirche.«
»Was für ein beneidenswert praktisch denkender Mensch du doch bist.«
»Muß ich auch sein. Ich bin Priester.« Er lehnte sich zurück und grinste mich an. »Ich muß mit dieser Schweinerei leben. Und es ist eine Schweinerei, wirklich. Die Kirche ist ein unreiner, unsauberer Ort. Weil auch die Menschen niemals rein und sauber sind. Wir alle laufen einfach durchs Leben und geben unser Bestes, und wenn wir nur zu einundfünfzig Prozent recht handeln, dann … na ja, mehr kann man nicht verlangen. Glaub mir, die Witwe Harbaugh hat wirklich und wahrhaftig den Wunsch gehabt, dem Orden die Piepen zu vermachen. Und sollte das nicht der Fall gewesen sein, hätte die alte Wachtel diesen Wunsch haben müssen.
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