Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill
deutete mit heftigem Kopfnicken auf Danuta, die immer noch im Putzmittelschrank herumwühlte.
»Sorry?«, fragte David höflich und schaute verständnislos Danutas Rücken an. »Wie bitte?«
Sally schluckte angestrengt. »Mr. Goldrab, haben Sie einen Moment Zeit? Ich muss Sie etwas fragen.«
David lächelte leise. Er wandte sich ab und zappte weiter durch die Sender. Sally wartete und sah zu, wie er gelassen über die Nachrichtenprogramme hinwegschaltete, über Sendungen, bei denen Leute tauchten oder an steilen Felswänden klebten. Auf einem lag eine Frau auf einem Bett, nur mit einem orangegelben Höschen und Cheerleader-Söckchen bekleidet. Sie hatte einen Finger im Mund und starrte in die Kamera. Als er am Ende angekommen war, zappte er sich durch sämtliche Kanäle zurück. Dann drehte er sich zu Sally um. Wieder schien es ihn zu überraschen, dass sie immer noch dastand.
»Okay, okay.« Er klang ungeduldig. »Gehen Sie schon mal ins Büro. Ich komme gleich nach. Und nerven Sie mich bloß nicht.«
Das Büro war im Erdgeschoss, vollgestopft mit Computern, Regalen voller Aufnahmegeräte und Schränken mit Golf-Trophäen. Gerahmte Bilder an den Wänden zeigten David stolz mit Pferden, David mit Bikini-Mädchen im Arm, David grinsend im Smoking mit verschiedenen Promis, die Sally aus Sendungen wie X-Factor kannte. Sie setzte sich hin und wartete. Nach fünf Minuten kam er herein, schloss die Tür und setzte sich ihr gegenüber. »Sally. Wie kann ich Ihnen helfen? Was haben Sie auf dem Herzen?«
»Die Agentur wird es merkwürdig finden, wenn ich plötzlich an zwei Nachmittagen in der Woche nicht mehr zur Verfügung stehe und Sie gleichzeitig den Vertrag mit uns dreien kündigen. Das fällt auf.«
Er grinste, und sie roch Alkohol in seinem Atem. »Sehen Sie? Was hab ich gesagt? Sie sind ein kluges Köpfchen. Ist okay. Ich rufe die Agentur an und sag denen, ich will die Stunden reduzieren, und Sie und die polnischen Flittchen sollen nicht mehr so oft kommen – sagen wir, bloß noch alle zehn Tage. Das lassen wir ein, zwei Monate so laufen, und dann kündige ich den Agenturvertrag. Für Sie ist es ’ne Win-win-Situation, Darling. Und außerdem …« Er lächelte und beugte sich ihr entgegen. Einen Moment lang dachte sie, er würde ihr den Finger unter das Kinn legen und ihr Gesicht zu sich hochheben. »… ich bitte Sie ja nicht, jemanden zu erwürgen. Oder?«
Sie lächelte nicht.
»Also? Übermorgen dann, Prinzessin?«
»Nur eins noch.«
Er zog eine Braue hoch. »Eine Bedingung? Süß.«
»Ja. Bitte … ich möchte nicht, dass Sie mich Flittchen nennen.«
Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, verschränkte die Hände hinter dem Kopf und gluckste. »Weißt du was, Mädel? Du kriegst ein ganz spezielles Einführungsangebot. Ich nenne dich nicht Flittchen, und ich nenne dich nicht Fotze. Okay? Ich werde dich nicht Fotze nennen. Außer natürlich, du benimmst dich wie eine.«
8
Manche Polizisten hatten eine Abneigung gegen Obduktionen. Andere fanden sie faszinierend und konnten stundenlang davon erzählen und Listen von Fachausdrücken herunterrattern, als wären sie Ärzte. Zoë hatte festgestellt, wenn man sich einmal eingeredet hatte, die Leiche als ein Stück Fleisch zu betrachten, war die Langeweile das Schwierigste dabei. Dauernd ging es um das Aufzeichnen irgendwelcher Details, alles musste fotografiert und die winzigsten Organe, die unbedeutendsten Drüsen gewogen werden. Und der menschliche Körper war im Tode nicht rosa und rot, sondern gelb. Oder grau. Es war nur der erste Schnitt – der Y-förmige Thorako-Abdominal-Schnitt –, der ihr Schwierigkeiten bereitete. Reißverschluss nannten die Cops ihn, und die meisten traten dabei vom Tisch zurück, um den frei werdenden Gasen zu entgehen. Zoë war dieser Teil ebenfalls verhasst, doch weil sie keinerlei Schwächen bei sich duldete, stand sie so nah wie möglich am Tisch. Ohne Maske, ohne Pfefferminz, ohne stark riechende Salbe unter der Nase. Allenfalls gestattete sie sich, die Nase zuzuhalten und zu blinzeln. Als Lornes Leiche geöffnet wurde, stand Zoë neben ihr, und halb wollte sie dabei ihre Hand halten und sie drücken, damit es nicht so wehtat. Blöd, dachte sie, als der Assistent wortlos die Instrumente bereitlegte, Rippenspreizer und ein Sortiment von kabellosen Stryker-Sägen. Als könnte sie irgendetwas an dieser Scheiße noch ändern.
Rechtsmediziner konnten es nicht leiden, wenn man sie dazu drängte, Schlussfolgerungen zu
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