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Atemlos - Toedliches Erbe

Atemlos - Toedliches Erbe

Titel: Atemlos - Toedliches Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cherry Adair
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hören; undeutliche Stimmen, das Knirschen von Schuhen auf dem Jahrhunderte alten Dreck, das ungleichmäßige Tröpfeln und Dakotas Atem in seinem rechten Ohr.
    Heute in den frühen Morgenstunden hatte er auf ihren stockenden Atem gelauscht und dabei gerade mal einen halben Meter entfernt von ihrem schlanken, angespannten Rücken gelegen – meilenweit entfernt von allem, was sie einmal miteinander verbunden hatte. Der Duft ihrer Haut und ihres Haars hatte seinen Schwanz hart werden lassen, und es hatte ihn in den Fingern gejuckt, sie zu berühren. Gott, vermisste er sie.
    Nein. Nein,
sie
vermisste er ganz und gar nicht. Was er vermisste, und zwar mit bestürzender Heftigkeit, war die
Erinnerung
an sie. Die Erinnerung an ihr
Zusammensein.
Nicht bloß den Sex – der war phänomenal gewesen –, sondern auch an das Lachen. Ihre Beziehung. Das gegenseitige Verständnis, selbst ohne Worte. Die Stille und das Laute. Das Sanfte und das Harte.
    »Früher hat man in den Tunnel Champignons gezüchtet, wusstest du das?«
    »Du musst mich nicht unterhalten«, entgegnete Rand knapp.
    »Weiß ich. Tut mir leid. Ich bin …«
    »Ham. Mach mal ein bisschen voran. Und schließ auf.« Rand wollte nicht hören, was sie war. Verängstigt. Besorgt. Einsam. Ihre Gefühle gingen ihn nichts mehr an, und er war froh darüber.
    Die Tatsache, dass ihr Zielobjekt seit den frühen Morgenstunden an Ort und Stelle verharrt war – ohne sich groß zu bewegen –, deutete darauf hin, dass sie ihr Ziel erreicht hatten: entweder irgendein Treffen, oder aber hier war tatsächlich Endstation für sie. Für ein sehr intimes Begräbnis waren sie genau am richtigen Ort: Sie würden sich den sechs Millionen exhumierten und umgebetteten Leichnamen in den Schächten der alten Minen hinzugesellen, die im achtzehnten Jahrhundert zu einem Ossuarium geworden waren.
    Während er Ham folgte, wurde die Luft kühler und roch schimmelig und feucht. Er versuchte, Dakotas leise Atemgeräusche direkt an seinem Ohr auszublenden. In ihrem Schweigen schwang jede Menge Unausgesprochenes mit – und das war ihm nur scheißrecht. Abgesehen von dieser Geschichte, die sie wieder zusammengebracht hatte, gab es wirklich nichts zu besprechen. Ein Teil von ihm bedauerte, was er gestern Abend gesagt hatte. Andererseits war er froh, seinen Standpunkt klargemacht zu haben.
    Sein Bauchgefühl sagte ihm, dass sie ihr Versprechen, seinem Vater beizustehen, niemals halten würde – was er sogar verstehen konnte. Um Paul zu entlasten, müsste sie sich selbst beschuldigen, und das würde sie nicht tun. Und er würde sie nicht noch einmal darum bitten.
    Sie gelangten zu der Grabkammer mit Wänden, die aus zerlegten anonymen Knochen bestanden. Einige ihrer Besitzer waren vor über zwölfhundert Jahren verstorben.
    »Ach du heilige Scheiße!«, rief Ham und blickte um sich. »Ich dachte, sie hätten … Ich weiß nicht, die Knochen einfach hier reingeworfen. Aber da hat sich ja jemand richtig Arbeit gemacht.«
    Die Art, wie man die Knochen zu kunstvollen Mustern arrangiert hatte, war von einer makabren Schönheit – trotzdem hielten sich die beiden Männer nicht auf. Rand wollte unbedingt in dem Nebentunnel verschwunden sein, bevor die Leute, die er hinter ihnen hören konnte, zu ihnen aufgeschlossen hatten.
    Ein großes, nasses und wildes Etwas schoss zwischen Hams Beinen hindurch. Einen üblen Fluch ausstoßend, zog er seine Hand von der Wand zurück und griff nach seiner Waffe. »Ich hasse diesen beschissenen Ort. Wo lang jetzt?«
    »Halt. Hier ist es.« Das schwarze, verzierte Gusseisentor befand sich exakt an der von Dakota angegebenen Stelle – und versperrte den Tunnel, den sie nehmen sollten. Sein Schloss zu knacken, war mithilfe der Werkzeuge, die er stets bei sich trug, ein Kinderspiel. Sie schlüpften hinein in das Dunkel, und Ham schloss das Tor hinter ihnen.
    Rand hängte das Schloss wieder an seinen alten Platz zurück und schob den Steckriegel gerade weit genug hinein, dass es abgeschlossen aussah. Im Gegensatz zu den von Touristen frequentierten Tunneln gab es hier überhaupt keine Beleuchtung mehr. Sie schalteten ihre Taschenlampen ein und gingen weiter. Die Decke war schwarz vom Ruß der Öllampen und Fackeln früherer Zeiten und der vor ihnen liegende Weg nichts als ein stygisches Nichts.
    Nur gut, dass Rand nicht zu Hirngespinsten neigte; alles hier schien auf gespenstische Weise zu atmen. Es war, als befände man sich im Bauch eines wilden Tiers. Der ganze

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