Atlan 06 - Rudyn 03 - Acht Tage Ewigkeit
für den Transport von Getreide und anderen landwirtschaftlichen Gütern Rudyns bestimmt, wuchs seit etwa 2870 mit der zunehmenden Größe der Stadt Genzez zu einem ernsthaften Konkurrenten des bis dahin alles beherrschenden Genzez Port heran. Namensgeber des jüngeren Raumhafens wurde der damalige Generalkalfaktor Peter Vitulja Moltov; sein immens vorangetriebenes Flottenaufbauprogramm nach der innenpolitischen Krise von 2840 hatte den Grundstein der heutigen militärischen Macht der Union gelegt. Inzwischen beherbergte Moltov Port auch die Raumakademie der Unionsflotte und war Ausrüstungsbasis sowohl der Schnellen Ephelegonischen Kampfverbände wie auch der rudynischen Heimatschutzflotte.
Mit dem angekündigten und bald bevorstehenden Baubeginn des sogenannten Sphärenrades würde Moltov Port noch gigantischer werden und um vieles moderner sein als der in die Jahre gekommene Genzez Port. In Moltov liefen schon jetzt, Anfang des Jahres 3076, alle Fäden zusammen; von hier aus würde der Baufortschritt an der im Orbit entstehenden ZUIM, dem Prototyp des völlig neuartigen Schiffskonzepts, überwacht und gesteuert werden. Ganz klar, Moltov gehörte die Zukunft.
In den Monaten, in denen Derius entlang der Northside patrouillierte, arbeitete Vitali im Militärbereich des Raumhafens als Mitglied der Musterungskommission. Ein unter der Hand überaus einträglicher Nebenverdienst und ein sich stetig ausweitendes Netzwerk aufgrund diverser erwiesener Gefälligkeiten waren ihm damit gewiss.
Derweil erduldete Derius die zwei langweiligsten Jahre seines Lebens.
Alle seine Träume über Heldentaten im All zerplatzten vor der ernüchternden Erkenntnis, dass nichts so langweilig war wie der Patrouillendienst innerhalb der Flotte. Astronomische Messungen. Nachweis hyperstruktureller Anomalien im Überlappungsbereich von Doppelquasaren. Erfassung und Katalogisierung von möglichen Navigationsrisiken in der Übergangsregion zwischen Zentrum und der Northside der Galaxis. Gäh’n wir es an … Der Satz wurde zum geflügelten Wort an Bord der BARNAUL.
Nachdem die BARNAUL wieder auf der Basis in Moltov gelandet war, kehrte Derius für kurze Zeit an die Suniastra zurück und erwarb sich 3081 einen dritten akademischen Grad 1. Klasse in Nanosensorik.
Mit 26 Jahren stand er damit wieder auf rudynischem Boden und wusste nicht, wie es weitergehen sollte. Was sollte er mit seinem Leben anfangen? Nie wieder Raumdienst, so viel war sicher.
Er besuchte seine Eltern, die immer noch in derselben Wohnung im Wohnturm im Stadtteil Orokanu lebten, und er erzählte seinem Vater von dem, was er erlebt oder besser nicht erlebt hatte; doch Gregor Manitzke verstand ihn nicht. »Wie konntest du so eine Chance nur mit Füßen treten«, war alles, was er zum Ausscheiden seines Sohnes aus dem aktiven Raumdienst sagte.
Auf dem Rückweg zur Universität stieß Derius auf dem Campus mit einem leidlich hübschen Mädchen zusammen und warf sowohl ihre Tasche mit Lesespulen als auch das Mädchen selbst in eine Pfütze. Es regnete in Strömen an diesem Tag, und die junge Frau heulte vor Wut. Sie sah aus wie durch den Schlamm gezogen und anschließend noch einmal hineingetaucht. Sie schimpfte in einem fort, bis er sie, fassungslos über sich selbst, einfach in den Arm nahm und ihren regennassen Mund mit einem Kuss zum Schweigen brachte. Von dem Moment an waren Zemla Ostrava und er ein Paar.
Im Überschwang einer sich unversehens auftuenden Lebensperspektive verloren beide, selig der Wirklichkeit entschwebend, den Boden unter den Füßen und heirateten noch im selben Jahr. Vitali wurde Trauzeuge; sein Verständnis für die Ehe war marginal.
Bald wurde Zemla Ostrova-Manitzke schwanger und brachte 3082 eine gesunde Tochter zur Welt, die den Namen Estonia erhielt.
Das Arbeitsbeschaffungsamt forderte, dass Derius unverzüglich eine Stelle antrat; als Familienvater habe er eine schwerwiegende Verpflichtung der Zentralgalaktischen Gesellschaft gegenüber.
Derius bewarb sich daraufhin beim Kalfaktat für Kriegswesen. Dort wurden Nanosensoriker für die Arbeit am 3077 begonnenen Bau des Sphärenrades gesucht. Ursprünglich hatte er an einen Job auf dem Sphärenrad selbst gedacht. Doch bedingt durch seine Eigenbrötlerei und seinen, wie es im Gutachten hieß, »verbohrten Freiheitssinn«, der tendenziell als »unionskampfgruppenzersetzend und arbeitsmoralschädigend« eingestuft wurde, fiel er durch die psychologischen Tests und damit durch das Raster der
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