Atlan 12 - Monolith 02 - Todeszone Zartiryt
zusammengepressten Lippen aktivierte sie die Verbindung.
»Wir haben ihn«, hörte sie Abigon sagen. »Ich werde ihn in die Krankenstation bringen. Mir ist klar, dass das kein Trost ist, Nail, aber er hat nicht gelitten.«
»Woher willst du das wissen?«, erwiderte die Gäanerin tonlos. Dass Terence sie offen mit Ihrem Kosenamen und dem vertraulichen Du anredete, nahm sie nur am Rande wahr. Er tat das normalerweise nur, wenn sie unter sich waren.
»Ich …«, setzte der Erste Offizier an.
»Schon gut«, stoppte ihn Naileth Simmers. »Entschuldige. Ich weiß, dass du es gut meinst.«
Ohne eine Antwort abzuwarten, schaltete sie den Interkom ab.
»Positronische Selbstdiagnose abgeschlossen«, sagte Ramit Claudrin. Er bemühte sich, seine Stimme zu dämpfen, was ihm wie üblich nur unzureichend gelang.
»Alle Systeme arbeiten einwandfrei. Die Reparaturen der letzten Kleinschäden sind in wenigen Minuten abgeschlossen.«
Naileth Simmers nickte nur. Die Natur hatte dem Menschen einige erstaunliche Fähigkeiten geschenkt, doch die für sie bemerkenswerteste war die der Verdrängung. In ein paar Tagen würde für die meisten an Bord der IMASO alles so sein wie immer. Die Routine würde wieder die Befehlsgewalt übernehmen, und die Episode im Zartiryt-System würde zu einer jener Geschichten werden, die man sich in den Raumfahrerkneipen der Milchstraße zu Tausenden erzählte. So war es schon immer gewesen, und so würde es immer sein.
Naileth Simmers hatte Marcus Merten nicht besonders gut gekannt. Vor einigen Monaten war er ihr bei einem bordinternen Schachturnier aufgefallen, das er fast mühelos gewonnen hatte. Milton Elks hatte einiges von dem jungen Terraner gehalten und ihn deshalb noch schlimmer gepiesackt als den Rest seiner Technikerriege. Das war seine Art, Hochachtung auszudrücken, und passte perfekt zu seiner von allen anerkannten Stellung als verschrobener Sonderling.
Unwillkürlich wanderten die Gedanken der Kommandantin in die Vergangenheit. Sie erinnerte sich nicht an viele ihrer früheren Ausbilder, doch Zac Zoltan, ihr Lehrer in Angewandter Psychologie, war ihr bis heute im Gedächtnis haften geblieben. Mit seinem wallenden Rauschebart und der spiegelblanken Glatze, vor allem aber der für seine schrankförmige Statur viel zu hohen, beinahe falsettartigen Stimme, hatte Double-Z , wie ihn die Studenten hinter seinem Rücken nannten, eher den Eindruck erweckt, psychologische Hilfe zu benötigen , als anderen ebensolche gewähren zu können. Wie Milton Elks war er ein Eigenbrötler gewesen, ein Individualist , wenn man es freundlicher ausdrücken wollte.
Als Kommandooffizier , hatte er immer gesagt, werden Sie dem Tod ins Auge sehen. Nicht so häufig dem eigenen als vielmehr dem jener, die Ihnen anvertraut sind. Sie werden Kameraden und Freunde für immer verlieren, sie möglicherweise wohl wissend in einen Einsatz schicken, aus dem sie nicht mehr lebend zurückkehren. Ihre Untergebenen werden Sie für kalt und herzlos halten, denn Sie dürfen Ihre wahren Gefühle niemals zeigen. Sie machen kleine Fehler. Sie treffen Entscheidungen und akzeptieren die Konsequenzen. Das ist der Grund, warum man Ihnen vertraut und sich in der Krise auf Sie verlässt. Viel mehr gibt es über die Kunst militärischer Führung nicht zu sagen, aber glauben Sie mir: Ein Menschenleben reicht nicht aus, um es zu verdauen.
Wie recht er doch gehabt hatte. Dabei war es weniger die Rolle der unfehlbaren Kommandantin, die ihr Probleme bereitete, als vielmehr die Selbstvorwürfe, die sie langsam und bei lebendigem Leib auffraßen. Zum ersten Mal konnte sie verstehen, warum die Psychologische Abteilung auf Quinto Center eine der größten war und warum mehr als zwanzig Prozent der USO-Kommando-Offiziere nach weniger als zehn Jahren ihre Posten niederlegten oder um Versetzung in den Innendienst baten.
»Ortung!«
Naileth Simmers löste sich aus ihren Grübeleien und wandte sich Torben Santorin zu.
»Ich messe massive Hyperbeben an«, sagte der Ortungsoffizier. »Mein Gott, was … So etwas habe ich noch nicht erlebt, Sir. Die Werte gehen weit über alle Frequenzbänder hinaus. Der Ausgangspunkt liegt … innerhalb des Black Holes oder zumindest in dessen unmittelbarer Nähe.«
»Der Monolith …«, flüsterte die Kommandantin.
Der Schwächeanfall kam völlig überraschend. Im ersten Moment glaubte sie an eine Nachwirkung der Belastungen aufgrund der ständigen Transitionen, doch dann sah sie, dass auch die übrige
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