Atlan TH 0003 – Der Katzer
Menschen gesehen, dessen Anblick mich so erschütterte. Er trat aus der Space-Jet wie einer, der keine Zukunft mehr kennt. Auf den Armen trug er den reglosen Körper France Ivorys. Seine Schultern waren gebeugt, die Mundwinkel voller Bitterkeit verzogen und die Augen feucht vor Tränen. Er kam auf mich zu und bettete France auf den kalten Stahl des Hangarbodens.
»Kümmere dich um sie, Josc.«
Es war eine Bitte, eine flehende Bitte, die ich schon deshalb erfüllen würde, weil Bjo Breiskoll mein Freund war. Dennoch stellte ich die Frage:
»Warum tust du es nicht selbst?« Er sah mich nur traurig an. Sein Blick war leer.
»Weil sie mich hasst«, flüsterte er. »Für das, was ich getan habe, wird sie mich für immer hassen. Ich kann es ihr nicht einmal übel nehmen.«
Das war gestern gewesen, kurz bevor die SOL den Orbit um den Planeten verließ, auf dem Perg Ivory nun lebt.
Inzwischen weiß ich, was geschehen ist. France war bei mir und hat mir alles erzählt. Den Schock und die Demütigung, die Bjo ihr versetzt hat, indem er sie zurück an Bord brachte, wird sie nicht vergessen können. Sie will nichts mehr mit ihm zu tun haben.
Auch der Katzer wird seine Zeit brauchen, bis er darüber hinwegkommt. Er liebt dieses Mädchen, und für seine Begriffe muss ihre plötzlich Ablehnung so aussehen, als sei sie sich in Wahrheit über ihre Gefühle noch nicht im Klaren gewesen, als schrecke sie nach dem ersten Kontakt nun doch vor ihm, dem Außenseiter, dem Freak, zurück. Nach allem, was ich von seinen diesbezüglichen Problemen weiß, wird er darin den Hauptgrund für ihr Verhalten sehen.
Gewiss täuscht er sich, und ich werde versuchen, ihm das begreiflich zu machen. Er wird die Krise überwinden, dessen bin ich sicher.
Ich weiß nicht, wie lange es dauert, bis er stark genug ist, dass ich ihm erzählen kann, was France mir anvertraut hat: Aus der kurzen Liebe zwischen ihr und ihm wird ein Kind hervorgehen, ein Kind, das nach ihrem Willen den Namen Breiskoll tragen soll.
Wenn es so weit ist, wird er begreifen, dass sie ihn nicht wirklich hasst, sondern dass sie nur nicht mit einem Mann leben will, der ihren Willen nicht respektieren kann. Er wird begreifen, dass sie zu allem steht – zu Bjo, dem Kind und zu dem, was sie empfunden hat. Sie nennt es Liebe, und sie bereut es nicht.
Joscan Hellmut am 16. Juli 3590
11.
Ein Drama in drei Tagen, dachte Chart Deccon, während er das Logbuch langsam zuklappte. Er hatte nichts von technischen Problemen erfahren oder von gefährlichen Einflüssen von außen, mit denen sich die Besatzung der SOL auseinanderzusetzen hatte. Der Inhalt der gelesenen Einträge war fast ausschließlich menschlicher Natur gewesen, er befasste sich mit privater Tragik und persönlichen Schicksalen.
Wie viele solcher Dramen spielten sich wohl noch heute an Bord ab, überlegte er, Tag für Tag und Stunde um Stunde. Kaum jemand kümmerte sich um derartige Vorfälle oder erfuhr überhaupt davon. Sie gingen im Chaos unter.
Der High Sideryt musste sich eingestehen, dass ihn die Geschichte um Perg Ivory und seine Tochter innerlich bewegt hatte. Dennoch schob er die Gedanken daran schnell zur Seite. Als er das Logbuch wieder in der Elfenbeinschatulle verwahrte, erschien ihm als Resümee bereits wichtiger, dass damals, vor zweihundert Jahren, schon erste Ansätze dessen erkennbar gewesen waren, was das Zusammenleben der Solaner von heute prägte.
Im Gegensatz zu anderen Gelegenheiten, während deren er im Logbuch geblättert hatte, hatte ihm die Lektüre diesmal nicht die erhoffte Entspannung gebracht. Vielleicht lag das an der Erkenntnis, dass Zivilisation offenbar nie ohne Konflikte zu haben war.
Er brauchte eine Dosis E-kick – erst dann würde er sich wieder wohler fühlen. Er musste sich auf diese Weise erfrischen, um für Kommendes gewappnet zu sein.
Der Tag war ruhig verlaufen. Bis zur Stunde zumindest waren keine schwerwiegenden Dinge vorgefallen, die sein Eingreifen erfordert hätten.
Morgen dagegen konnte das schon wieder ganz anders sein.
12.
Sie hatte gewusst, dass es eines Tages so kommen musste, und doch hatte sie sich immer davor verschlossen.
Ein Monster!
Welch schrecklichen Beigeschmack besaß dieses Wort. Welche Grausamkeiten schwangen in ihm mit.
Sanft strich ihre Hand über weiches, schulterlanges Haar. Ein Blick aus tiefgründigen blauen Augen dankte es ihr – ein Blick, der eine einzige stumme Frage war.
In all den langen Jahren hatte sie die Hoffnung nie
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