Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Attentage

Attentage

Titel: Attentage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Bartl
Vom Netzwerk:
hundert Jemeniten in Guantánamo Bay inhaftiert.
    Purront bemerkt, dass er die Windschutzscheibe schon zum zweiten Mal reinigt und Leconte ihn besorgt ansieht. „Du bist seit unserer Abreise ziemlich geistesabwesend“, sagt er ungewohnt milde. „Etwas Nachdenken hat noch niemandem geschadet“, erwidert Purront und sein aggressiver Unterton tut ihm im selben Moment leid.
    „Warum stammen so viele Terroristen aus dem Jemen?“, fragt er einlenkend, als sie wieder losfahren.
    „50.000 Mujahids aus dem Jemen haben gegen die Russen in Afghanistan gekämpft und ihre neuen Kriegsfreunde sind zu Besuch gekommen und geblieben, weil sie dort niemand stört. Die Terroristen aus dem Sudan und aus Somalia, die Islamic Army of Aden, die ägyptische al-Jihad, die südostasiatische Jemaah Islamiyah, der islamische Jihad und vor allem natürlich die al-Qaida, weil die Regierung zu schwach war, es zu verhindern, dass sie sich im Jemen breitmachten. Der Präsident erlaubte es den Amerikanern, die Extremisten in seinem Land zu bekämpfen, bis er bei den Revolten von der Bevölkerung verjagt wurde. Die Terroristen sind im Jemen nun noch ungestörter als zuvor“, antwortet Leconte. Er bremst im letzten Moment vor einem Fußübergang, da ein offensichtlich Betrunkener auf die Straße stolpert.
    „Wenigstens das gibt es im Jemen nicht“, sagt Purront, „zumindest wird nur heimlich zu Hause gesoffen, da es ja offiziell nicht einmal Alkohol zum Kaufen gibt.“
    „Dafür kaut so gut wie jeder Qat und es gibt 60 Millionen Kleinwaffen für 22 Millionen Menschen. Und genügend Waffenhändler, Piraten, Menschenhändler, Entführer, CIA-Agenten, Profikiller und 800 Soldaten der US Special Forces –zumindest aber wenig Touristen“, sagt Leconte, während er den Wagen vorsichtig an dem Betrunkenen vorbeilenkt, der sie auf Holländisch beschimpft und dies mit eindeutigen ordinären Gesten unterstreicht.
    Purront hat in den letzten Jahren oftmals als verdächtig eingestufte Personen aus dem Jemen beschattet, die in Paris arbeiteten und lebten. Die meisten hatten schlecht bezahlte Jobs, und manchmal kam es Purront albern vor, diese Menschen auf dem Weg zu ihrer Arbeitsstelle und beim Mittagessen in billigen Bistros zu beobachten. Nicole hielt das schlichtweg für Zeitverschwendung.
    So wie viele andere hatte auch sie vergessen, dass einige der 9/11-Attentäter drei Jahre völlig unauffällig als „Schläfer“ in Hamburg gelebt hatten.
    Nach ihren abschätzigen Bemerkungen über die „lächerliche Observierung von Zeitungsverkäufern“ hatte Purront begonnen, spannendere Geschichten zu erzählen. Selbstverständlich war es strengstens verboten, dem Partner geheime Informationen weiterzugeben, aber er hatte so wenig Gesprächsstoff mit Nicole und seine Arbeit schien sie in letzter Zeit zu faszinieren. Vielleicht hat das mit ihrer Schwangerschaft zu tun? Auf jeden Fall ist sein Leben jetzt spannend wie selten zuvor.
    Der Betrunkene hält sich schwankend mit einer Hand an ihrem langsam vorbeifahrenden Auto fest. „In Paris würde ich ihn in die Ausnüchterungszelle sperren lassen“, knurrt Leconte und hupt zweimal, um seiner Empörung zumindest etwas Ausdruck zu verleihen, bevor er energisch Gas gibt. Purront ist froh, dass der Commissaire nicht sieht, wie der Torkelnde nach dem Auto tritt, aber glücklicherweise viel zu langsam ist. Er ist davon überzeugt, dass Leconte ihnspätestens dann geohrfeigt hätte. Die daraus resultierenden Probleme mit den holländischen Kollegen will sich Purront gar nicht erst vorstellen.
    Nach einer Viertelstunde verlassen sie Amsterdam in Richtung Zaanstaas und fahren durch die ebene holländische Landschaft. Tulpen in verschiedenen Farben schimmern durch die Glaswände der riesigen Gewächshäuser. Die kanalisierten Wiesenflüsse und grün gestrichenen Holzhäuser mit den kleinen Vorgärten vermitteln einen friedlichen Eindruck, der nach der Hektik des Vortags wohltuend ist. Den Rest der Fahrt schweigen sich Purront und Leconte friedfertig an.

SONNTAG, 11. MÄRZ, 8.45 UHR | ZAANSTAAS, GEFÄNGNISZELLE
    Eine halbe Stunde später erreichen sie ein unscheinbares, abgelegenes Haus, zu dem sie das Navigationssystem in tadellosem Französisch dirigiert hat. Purront ist sicher, dass Leconte bei der Bestellung des Mietwagens darauf bestanden hat. Bruno lehnt schon wartend beim Eingang, er wirkt entspannt. Nichts deutet darauf hin, dass er in einigen Minuten eine Konfrontation mit Ahmed plant, der im Keller unter

Weitere Kostenlose Bücher