Auch keine Tränen aus Kristall
Schließlich begegnen wir ohnehin nur selten Leuten, denen man etwas erzählen könnte, Draußen.« Er lachte gezwungen.
»Ich darf nicht zulassen, dass Sie diese Sperre passieren.« Sie schien in keiner Weise amüsiert. »Das wissen Sie.«
»Nun, denn. Dann sagen Sie mir wenigstens, was hier geschieht.«
»Forschungsarbeiten.«
»Richtige, geheime Forschungsarbeiten, was?«
»Jetzt kommen Sie schon, genug der Worte. Sie begreifen doch sicherlich, dass ich Sie ebenso wenig hier passieren lassen kann, wie ich Ihnen sagen kann, was für Forschungen hier durchgeführt werden. Ich muss ja sogar Militärpersonal abweisen. Ich kann Ihnen lediglich sagen, dass ich das meiste nicht einmal selbst weiß.«
»Dann lassen Sie uns passieren«, warf Wuu ein. Er schien zu erkennen, dass dies die letzte Chance war, etwas zu erreichen, und riskierte daher viel. »Bei unserer Rückkehr werden wir dann auch Ihr Wissen erweitern.«
Sie musterte ihn aufmerksam. Einen Augenblick lang dachte Ryo, dass Wuus eingeworfene Worte sie verraten hatten.
Die Kiefer der Offizierin bewegten sich, und Ryo befürchtete, sie würde jetzt die erste von vielen unbeantwortbaren Fragen stellen, als plötzlich am anderen Ende des Korridors eine dröhnende Explosion zu hören war. Selbst die versteinert wirkenden Posten erwachten aus ihrer Starre und wirbelten mit schussbereiten Waffen herum. Ein paar Flocken von Dichtmasse fielen von der Korridordecke.
Tor hatte sich an der Schranke festgehalten, um nicht zu Stürzen, und Ryo und Wuu hatten alle Mühe, das Gleichgewicht zu halten.
Einen Augenblick lang herrschte beunruhigende Stille, als die Offizierin einen Schritt in Richtung auf den Ort der Explosion hin machte. Ein zweites Dröhnen ertönte. Diesmal erfüllten Rauch und orangeroter Feuerschein die Korridoröffnung. Die Flamme verschwand, der Rauch begann sich zu verteilen, und Rufe und Pfiffe unsichtbarer Thranx waren zu hören.
Einige tauchten hinter den Rauchwolken auf und rannten auf die Schranke zu. Sie gestikulierten eindringlich. Ohne ein Wort von sich zu geben, rannten ihnen die zwei Posten entgegen, und dann eilte die kleine Gruppe um die Wegbiegung, hinter der der Rauch und das Feuer entstanden waren.
Die Offizierin hatte gezögert, ehe sie sich umwandte, um sich wieder mit ihren wissbegierigen Besuchern zu befassen.
»Ich fürchte, ich muss Sie jetzt bitten, in den zentralen Sektor zurückzukehren, am besten in die Ladenbereiche.« Eine VideoKonsole war in die Schranke eingebaut. Die Status-Anzeigen an dem Gerät blitzten und flackerten wie wild. Von weiter unten im Korridor waren schrille Warnpfiffe zu hören.
»Wir belästigen niemanden«, sagte Tor mit bewundernswerter Ruhe. »Vielleicht können wir helfen, wenn Sie uns erlauben ...« Er verstummte plötzlich, sprachlos vor Staunen.
Die Offizierin hatte eine Pistole herausgezogen, die sie jetzt in einer Fußhand hielt. Die Waffe besaß nicht die zivilisierte Mündung eines Stechers oder einer Energiewaffe, sondern vielmehr die eines Projektilgeräts, dessen winzige, explosive Kugeln einen Chiton in Fetzen reißen konnten. »Bitte, gehen Sie dorthin zurück, woher Sie gekommen sind«, instruierte sie sie brüsk mit Selbstvertrauen obersten Grades, »sonst sehe ich mich gezwungen, Sie zu töten!«
»Töten?« wiederholte Wuu dümmlich. Ryo erlebte zum ersten Mal, dass dem Poeten die passenden Worte fehlten. »Wir haben gar nichts getan ... wir ...«
»Sie haben fünf Sekunden. Eins ... zwei ...«
»Genug. Wir können später Beschwerde einlegen.« Tor drehte sich um und fing an zu rennen. Eine weitere Aufforderung brauchte Ryo nicht. Erst nach ein paar Augenblicken blickte er sich über die Schulter um. Die Offizierin hatte wieder auf ihrem Sattel Platz genommen, und ihre Hände flogen über die Kontrollen der Konsole. Die hässliche Projektilwaffe lag griffbereit auf der Schranke.
»Empörend!« murmelte Wuu. »Was auch immer hier passiert sein mag, das ist keine Entschuldigung - keine Entschuldigung! Ein Bruch der Höflichkeit, der allgemeinen Sitten! Die dürfen doch nicht einfach ... «
»Das ist militärisches Sperrgebiet«, unterbrach ihn Tor mit fester Stimme. »Die dürfen alles tun, was sie wollen.«
»Die hätte uns doch ganz sicher nicht mit diesem Ding erschossen!« sagte Ryo staunend. Sie hatten inzwischen eine Biegung im Tunnel erreicht.
»Haben Sie ihre Haltung nicht gesehen und auch ihren Tonfall nicht bemerkt?« fragte Tor. »Für mich gibt es da nicht
Weitere Kostenlose Bücher