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Auch Santiago hatte einen Hund

Auch Santiago hatte einen Hund

Titel: Auch Santiago hatte einen Hund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Lindenthal
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Ankunft in diesem traumhaft schönen Ort freuen? Schon zur Zeit Karls des Großen ließen sich an diesem idyllischen Platz, versteckt in einem kleinen Tal gelegen, Benediktinermönche nieder. Die Reste ihrer gewaltigen Abtei, im 12. Jahrhundert neu errichtet, sind beeindruckend und zeugen vom Reichtum des Ordens. Klöster waren nicht nur lebensnotwendige Stationen für Pilger, sie wurden auch oft bewusst an Verkehrswegen errichtet, um das Pilgern überhaupt erst zu ermöglichen. Die überraschende Größe des Pilger-Schlafsaals aus jener Zeit im noch intakten Wirtschaftsgebäude zeugt davon, dass bereits im 1 2. Jahrhundert ein Jakobsweg durch Nanteuil führte. Und es müssen viele Pilger gewesen sein, die diese Route wählten; wir sind also wieder einmal nicht die Ersten. Dafür sind wir heute jedoch die einzigen Pilger, die durch die engen gepflasterten Gassen an der gleichfalls romanischen Pfarrkirche (12. Jahrhundert) vorbei der Pilgerherberge zustreben. Die erste „echte“ Pilgerherberge auf meiner Reise! Gott sei Dank habe ich daran gedacht, meinen alten Pilgerausweis einzupacken, den ich jetzt als „Sesam-öffne-dich“ brauche. Ute hat zwar keinen, sie wird aber anstandslos ebenfalls als Pilgerin akzeptiert (und wieder keine Spur von schlechtem Gewissen bei ihr, eher große Freude und Dankbarkeit). Müdigkeit und Grant fallen von uns ab, die schmerzenden Blasen an den Füßen sind auf einmal nicht mehr zu spüren, stattdessen erfüllt uns die Magie des Ortes mit einer heiteren, zufriedenen, fast ausgelassenen Stimmung. Spontan beschließen wir, die Küche der ziemlich neuen (und deshalb sauberen) Herberge auch zu benützen und uns am letzten gemeinsamen Abend - morgen fährt Ute von ANGOULÊME nach PARIS zurück - selber zu bekochen. Im kleinen Laden am Kirchplatz können wir knapp vor Ladenschluss noch alle Zutaten für eine köstliche Ratatouille sowie Reis und eine Flasche guten Rotweins kaufen; die freundliche Dame, welche die Herberge betreut, hilft uns mit Olivenöl aus. Das gemeinsame Kochen und Essen versehen diesen Tag mit einem abschließenden „goldenen Pinselstrich“. Das Ergebnis ist ein fürstliches Mahl, zwei rundum zufriedene Pilger und die Gewissheit in mir, dass es gut ist, so wie es ist.
     
    Wildschweinjäger hat man gern...
     
    Ajiz fühlte sich offenbar überhaupt zu Löwen hingezogen, denn Sète war nicht das einzige Mal, dass er in panischer Angst in die Höhle des Löwen flüchtete. Während meines Sabbatjahrs in Saint-Jean hatte ich die schon seit Jahren ersehnte Möglichkeit, das karge Karst-Plateau des Larzac ausgiebig zu Fuß zu erkunden. Es erhebt sich nördlich von Saint-Jean auf etwa 600 bis 700 Metern Seehöhe und gehört zu den Ausläufern des französischen Zentralmassivs, bevor sich dieses in die fruchtbare Ebene der Mittelmeerküste senkt. Wo sich die wenigen Flussläufe im Laufe von Jahrmillionen oft Hunderte von Metern in den karstigen Boden gegraben haben, wird das Plateau von tiefen Schluchten durchzogen, heute ideale Orte zum Wandern, Baden und auch Paddeln. Am Plateau selbst herrscht raues Klima, die Winter dort sind lang und regnerisch, manchmal schneit es sogar, während die Sommer sehr heiß sind - und wunderschön, wenn man diese karge und strenge Schönheit liebt - und da bin ich nicht der Einzige, wie die jährlich zunehmende Zahl der Besucher beweist. Die dünne Humusschicht gibt nicht viel her, die wenigen Bauern, die noch nicht aufgegeben haben, betreiben Vieh-, vor allem Schafzucht. Nur an den unzähligen Steinmauern, die vor langer Zeit Felder begrenzten und Terrassen abstützten und heute noch das ganze Plateau mit einem schachbrettähnlichen Muster überziehen, erkennen wir, dass es nicht immer so war, dass dieses heute so verlassen wirkende Land einst viele Menschen ernährt hat und voller Leben war.
    Die kleinen Dörfer bestehen aus Steinhäusern, die sich schon seit Jahrhunderten verbissen gegen den scharfen und kalten Wind stemmen, der vor allem im Winter Mensch und Tier peinigt. Viele davon sind verlassen, immer mehr werden in letzter Zeit aber wieder hergerichtet und dienen als Ferien- und Zweitwohnsitze für Stadtflüchtlinge und EU-Bürger aus nördlichen Gefilden, welche das raue Larzac-Klima im Vergleich mit dem ihrer Heimat immer noch als mild empfinden. Was den Larzac für mich so einzigartig macht, ist die leere, weite und in ihrer Kargheit faszinierende Landschaft, wo sich felsiger Boden mit weiten, endlos scheinenden Weideflächen

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