Auf Couchtour
blüht, störe ich nur. Ehrenwort.«
»Sag das nicht so.«
»Wie soll ich wilden, schmutzigen, hemmungslosen Sex denn beschreiben, dass es für dich annehmbar klingt?«
»Weiß nicht.«
»Du hast viel nachzuholen, oder?«
Ein schüchternes »Ja« bestätigt meine Vermutung. Charline beugt sich zu mir vor. Sie braucht ein Kissen. Ich gebe es ihr unter der Bedingung, dass sie es nicht nach mir wirft. Sie bestätigt mit einem klaren »Vielleicht«. Zudem überlasse ich ihr den größten Teil der Wolldecke, damit sie sich vermummen kann, was auch immer das soll. Meine Güte, sie wird schmelzen bei der Hitze. Ich öffne die Balkontür und verabschiede mich kurz auf die Toilette.
Das grelle Licht brennt mir in den Augen. Es ist kurz nach zwei, ich liege gut in der Zeit. Der Sekt ist mir zu Kopf gestiegen, nicht nur äußerlich. Beinahe hätte ich die Klobrille verfehlt, aber zum Glück nur fast. Mein Körper ist randvoll mit Alkohol und es geht mir bombig. Ich stehe kurz davor, die Grenze zu Unzufriedenheitsphase drei zu überschreiten. In meinem Leben wird sich bald einiges ändern – alles eigentlich. Ich bin endlich aus meiner Lethargie erwacht und wieder aktiv. Ich habe einen Plan! Charline weiß noch nichts davon. Eins nach dem anderen. Ich lasse mir kaltes Wasser über die Hände laufen und genieße die Abkühlung.
»Irgendwas wollte ich noch …«
»… bring was zu trinken mit!«, fleht es aus den Tropen, eine Tür weiter.
Genau. Das war’s. Mit einer Flasche Sekt kehre ich zurück und fläze mich wieder aufs Sofa. Mist, die Balkontür! Egal. Mache ich später zu. Hoffentlich lässt die ausströmende Hitze nicht die Obstbäume über Nacht erblühen. Ich schiebe meine Füße unter den mir großzügig überlassenen Zipfel der Decke. Charline streckt mir ihr Glas entgegen. Ich schütte ihr ein. Alles, was ich außer ihrem Arm von ihr sehe, ist der obere Teil ihres Kopfes. Der Rest von ihr ist hinter einer Deckenbarrikade versteckt. Sie ist schon etwas seltsam, meine Charline. Ich mag den seltsamen Teil von ihr am liebsten. Wer ist schon normal? Ich frage also das freiliegende Ende meiner Freundin: »Bist du bereit für unseren Auftritt?« Eine rhetorische Frage, die ich nur als Einleitung stelle. Trotzdem warte ich ihr Nicken ab.
»Okay, dein Abend ist als Erstes dran, dann hast du’s hinter dir. Zuerst müssen uns die zwei aber sehen. Wir stehen, wenn du dich erinnerst, inmitten luxuriöser Pracht, umgeben von schmeichelndem Schummerlicht und Lilienduft. Wir hatten alle Eindrücke in uns aufgesogen und erwarteten die gebührende Anerkennung unserer Dates. Und die bekamen wir. Sie entdeckten uns in der Menge. Zeitgleich trafen sich unsere Blicke. Die Lobby wurde für uns zum Catwalk. Wir bewegten uns geschmeidig wie zwei Raubkatzen auf sie zu – in Zeitlupe. Das läuft in jedem Film so ab. Soll die wahnsinnig attraktive Hauptdarstellerin in Szene gesetzt werden, kommt sie meist in einem Hauch von Nichts die Treppe herunter, die Bildfrequenz ändert sich und jeder Augenaufschlag von ihr wird zum Erlebnis. Bei uns war es besser. Eine unendliche Bildfolge, die jede klitzekleine Bewegung von uns dokumentierte, bombardierte unsere Betrachter und versetzte sie in atemloses Staunen. Es dauerte ein Weilchen, bis wir vorankamen, aber so ist das nun mal mit den guten Dingen: Man muss immer darauf warten.
Du trugst übrigens deine roten Stiefel mit den unverschämt hohen Absätzen, und du liefst damit, als seist du darin geboren worden. Passend dazu, den geschlitzten kurzen Lederrock, einen hautengen Rollkragenpullover, beides schwarz, und für außenrum deinen farblich auf die Stiefel abgestimmten Übergangs-Früh-Frühjahrs-Mini-Trenchcoat für ein laues, leichtes Lüftchen. Ach ja, diesen genialen winzigen Glitzergürtel mit der ovalen Silberschnalle hattest du auch um. Ich könnte jetzt behaupten, das Outfit sei meine Idee gewesen, aber Lügen sollten immer glaubhaft sein. Diese hier wäre aussichtslos. Du hattest das auf Helmis 44. an. Alle waren derart hingerissen von dir, dass sich keiner mehr um den Geburtstags-Mann scherte. Deswegen habe ich es wohl aus meinem Gedächtnis gekramt. Außerdem hast du ja darauf bestanden, deine komplette Garderobe mitzunehmen – ich konnte also aus dem Vollen schöpfen.«
»Du übertreibst. So gut sah ich doch an dem Abend gar nicht aus.«
»Doch, wirklich!« Verflixt und zugenäht, ich bin ihr auf den Leim gegangen, sie will es noch mal hören. Ich Idiotin. »Du warst
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