Auf Couchtour
Zimmer bis zur Lobby höchstens zwei Minuten. Jetzt herrschte reger Betrieb. In der Sitzecke mit den Wolkensofas spielte ein Pianist auf einem weißen Flügel Jazz.«
»War der vorhin auch schon da, der Flügel, meine ich?«
»Muss ja. Manches bemerke ich selbst auch erst peuà peu. Den Springbrunnen mit den Wasser speienden Putten habe ich bei unserer Ankunft ebenfalls nicht wahrgenommen. In dieser Szene plätscherte er aber feuchtfröhlich vor sich hin, beleuchtet, versteht sich. So ist das eben. Du hast nach der Fontäne gegriffen. Du warst so geplättet, dass du testen wolltest, ob vielleicht alles nur Einbildung war. Ich habe dich gekniffen, um den Test zu verkürzen. Alles echt und wir mittendrin.
Unsere Schritte wurden von sanftem Gemurmel und Pianoklängen begleitet. Das Hotelpersonal, alle in blauer Uniform, betüddelte die Gäste von vorn bis hinten. Wie die Heinzelmännchen, so emsig, servierten sie die Erfüllung jedes Wunsches auf einem Silbertablett. Wo waren die bloß vorhin gewesen? Auf den Tischen, die in der Nähe der Säulen platziert waren, thronten riesige Lilien-Arrangements, die ein hauchzartes Aroma verströmten. Überall brannten weiße Kerzen. Kurzum, ein angemessenes Ambiente für Baumarktkunden auf Wochenendausflug.«
»Natürlich.«
»Einen Scheich konnten wir nicht entdecken, aber die Leute, die sich hier einquartiert hatten, waren definitiv vermögend – zumindest taten sie so. Wir brauchten uns nicht zu verstecken, niemand beachtete uns. Alle waren zu sehr mit sich selbst beschäftigt und damit, reicher auszusehen als die anderen. Eine Augenweide für dich. Alle Designer von Rang ließen ihre neueste Haute Couture in der Empfangshalle auf und ab spazieren. Du kriegtest dich gar nicht wieder ein: ›Schau mal hier, schau mal da.‹ Als ob ich Gucci von kik-Mode unterscheiden könnte. Sind doch alles nur Klamotten.« Charline strahlt, während ich erzähle. Ihr Blick ist verklärt. Auf meiner nächsten Couchtour lasse ich sie über Nacht in eine Pariser Boutique einschließen. Versprochen. Ich kann mich ja so lange im Moulin Rouge vergnügen. In diesem Traum ist Mode zweitrangig. Ihr zuliebe bleibe ich aber noch kurz beim Impressionen-Spektakel.
»Die Männer trugen Anzüge, die meisten Frauen Kleider, Hüte, eine Handtasche passend zum Gürtel und einen Pinscher unterm Arm. Warum bloß? Haben diese Viecher denn keine Beine? Egal. Auch wenn der überall zur Schau getragene Luxus dich entzückte, war den meisten dieser Frauen das Lachen vergangen. Ihre Botox-gelähmten Gesichtsmuskeln brachten kaum mehr ein Mundwinkelzucken zustande. Ein Maskenball der Upperclass. Nahezu alle auf den Leib geschneiderten Designerfummel ließen ihren Trägerinnen nur bedingten Bewegungsspielraum – es sollte bloß nichts verrutschen oder gar reißen. An Hinsetzen war überhaupt nicht zu denken. Es wurde auf unbequem hohen Absätzen gekippelt, vorwärts getippelt, und bei jedem Schritt am Rocksaum gezippelt. Absurd. Da lobe ich mir meine Stretch-Jeans!«
»Du hast eben keinen Sinn für Schickes!« Charline verdreht die Augen.
»Dafür aber für Bequemes. Warum waren wir doch gleich in der Lobby?«
»Ayeee!«, kreischt mein Gegenüber. Schwupps, schon ist das Thema Mode passé.
»Warten sie schon?«
»Der fesche Aaron und der smarte Troy? Ja. Wie bestellt. Sie standen am Tresen und unterhielten sich sparsam auf Männerart – einsilbig, nickend und schulterzuckend. Ich habe sie natürlich überpünktlich hier eintrudeln lassen. Wir sind schließlich nicht irgendwer. Nur Vollidioten würden uns warten lassen. Diego war zum Glück spurlos verschwunden. Wahrscheinlich durchschnüffelte er just in diesem Moment deine Koffer.«
»Nein.«
»Wenn ich’s doch sage.« Es ist ein herrliches Gefühl, die Fäden in der Hand zu halten. Warum kann es nicht immer so sein?
»Blödbröd!«
»Nun bleib mal locker, andere wollen sich auch amüsieren, und Sexbomb Diego verabschiedete sich auf seine ganz eigene Art von dir.« Das fand sogar ich ekelig, aber es waren ja nicht meine Klamotten, von daher, halb so wild.
»Pfui Teufel!«
»Ist angekommen. Da sich also Aaron und Troy zwar mochten, aber wenig Interesse aneinander zeigten, habe ich darauf verzichtet, uns gemeinsam, zu viert, in den Abend starten zu lassen.«
»Wir trennen uns?«
»Charline, es hat sonst keinen Sinn. Du bist viel lockerer, wenn du ohne mich ausgehst, weil dich dann nichts an zu Hause erinnert.«
»Stimmt.«
»Bei dem, was dir
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