Auf & Davon
warum Ty das von ihm verlangte; wenn sie wie Polizisten daherkamen, würden sie keine Antworten bekommen. Aber das hieß noch lange nicht, dass ihm das hier auch nur im Geringsten gefiel. Er schüttete sich etwas Bier in die linke Hand und schmierte sich die Flüssigkeit dann auf sein Hemd, seinen Hals und unter sein Kinn, ganz so, wie ein Betrunkener sich bekleckern würde. Dann wischte er sich die Hand an seiner Jeans ab, ging steifbeinig zum nächsten Abfalleimer und warf die Bierflasche so kräftig hinein, dass sie zerbrach. „Also los.“
Ty würde ihn das nie wissen lassen, aber mit diesem Opfer hatte Zane sich eben ein wenig Respekt von Ty erkauft. Er nickte und fasste neben Zane Tritt und pfiff beim Gehen leise vor sich hin. Sobald sie in die Nähe der Bordsteinschwalben kamen, fing Ty leise—und falsch—zu singen an, wobei er ein wenig lallte und fröhlich die leere Bierflasche schwang.
Fünf Straßenecken weiter fanden Zane und Ty eine Frau, die das zweite Mordopfer gekannt hatte. Es waren einige Hundertdollar-Scheine notwendig, um sie in der Gasse, in der sie normalerweise arbeitete, zum Sprechen zu bringen, und trotzdem fanden sie nur heraus, dass das Opfer aus Oklahoma kam und ihrem gewalttätigen Ehemann davongelaufen war.
„Gibt es irgendeinen Grund, warum sie teure Bettlaken im Haus gehabt haben sollte?“, fragte Ty. Die Frau schaute nervös um sich.
„Die hatte doch kein Geld für sowas“, antwortete die Frau und trat mit dem Absatz ihrer Plateau-Stiefel gegen den Bürgersteig. „Die hatte noch nich’ mal Geld für was zu essen“, fügte sie achselzuckend hinzu.
Ty nickte nur und musterte sie eindringlich. Herausfordernd erwiderte sie seinen Blick; anscheinend dachte sie, dass er ihre Dienste nun doch in Anspruch nehmen wollte. Stattdessen griff er in seine hintere Hosentasche, zog drei weitere Scheine heraus und reichte sie ihr. „Nimm dir ein paar Tage frei, ja? Das ist sicherer“, brummte er, drehte sich um und ging wieder die Gasse hinauf.
Zane wendete sich schweigend ab, während die Frau noch das Geld in ihren Händen anstarrte. Er stapfte Ty hinterher, zündete sich dabei eine Zigarette an und schlug den Kragen seiner Jacke hoch. Sein T-Shirt roch nach schalem Bier; der aufkommende Wind blies ihm den Gestank direkt ins Gesicht, was seine Stimmung auch nicht besserte.
Er wäre fast in Ty hineingerannt, der stehengeblieben war und mit mürrischem Gesichtsausdruck ein Pärchen beobachtete, das langsam den Gehsteig entlang näher kam.
„Na, Süßer, wie wär's?“, fragte die Frau. Ihr Begleiter schnaubte, schüttelte den Kopf und sah dann seufzend zur Seite.
„So offiziell, wie du aussiehst, angelst du dir keinen Freier“, antwortete Ty trocken. Die Frau lächelte geziert, nickte und warf ihr blondes Haar über die Schulter zurück. Ty zog spöttisch die Oberlippe hoch. „Die haben uns beschattet“, murmelte er zu Zane gewandt.
Zanes Laune ging noch weiter in den Keller, und er verzog angewidert das Gesicht. Noch zwei Leute, die ihm auf den Nerven herum trampeln konnten. Er hätte sich denken können, dass das FBI nach ihnen suchen würde, wenn sie nicht in den für sie reservierten Hotelzimmern auftauchten. Verärgert drehte er sich zur Seite, beobachtete die Umgebung und überließ es Ty, mit den Neuankömmlingen zu sprechen.
„Special Agent Marian Sears“, stellte die Frau sich vor und zeigte ihnen ihre Marke. Ty schnappte ihr die blitzschnell aus der Hand, packte die Frau am Arm und zerrte sie unsanft von der Seitengasse weg. Unbeeindruckt von der groben, leicht gewalttätigen Behandlung sprach sie weiter. „Und das ist Special Agent Gary Ross.“
„Habt ihr überhaupt eine Ahnung davon, wie auffällig ihr seid?“, fragte Ty die Frau in ruhigem Plauderton, ohne die Vorstellung zu erwidern. „Könnt ihr euch vorstellen, wie sehr ich euch zwei jetzt schon hasse?“
„Das trifft mich jetzt aber wirklich zutiefst“, grummelte Ross hinter ihnen.
Sears befreite sich aus Tys Griff, blieb stehen und drehte sich zu ihm um. „Uns ist klar, dass unter bestimmten Umständen Geheimhaltung erforderlich sein kann, Special Agent Grady“, sagte sie in knappem, hochmütigem Ton. „Aber wenn ein neues Ermittlerteam einfach so von der Bildfläche verschwindet, fangen wir gewöhnlich an, uns Sorgen zu machen. Vor allem in einem Fall, in dem wir bereits zwei Agenten an einen Serienkiller verloren haben.“
„Das nächste Mal lass’ ich mir von Mutti eine Entschuldigung
Weitere Kostenlose Bücher